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Kay Scarpetta 16: Scarpetta

Titel: Kay Scarpetta 16: Scarpetta
Autoren: Patricia Cornwell
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sie ja die Beste sein. Deshalb habe ich mir ein Glas Maker's Mark eingeschenkt, Coldplay lauter gestellt und eine Weile zugehört, wie sie in ihrem pathologischen Fachchinesisch einen Vortrag hielt, den die meisten von uns sowieso nicht verstehen. Ich bekam nur so viel mit, dass ein kleines Mädchen von oben bis unten vergewaltigt worden war. Sogar in ihrem Ohr wurde Sperma gefunden (dabei dachte ich immer, das passiert nur bei Telefonsex). Außerdem wurde ihr Schädel so lange gegen einen Fliesenboden geschlagen, bis sie durch stumpfe Gewalteinwirkung starb. Und da hatte ich eine Erleuchtung:
    Wer zum Teufel ist diese Kay Scarpetta eigentlich?
      Was bliebe ohne ihre großspurige Art noch von ihr übrig?
      Also habe ich ein bisschen nachgeforscht und Folgendes herausgefunden. Sie ist eine politische Intrigantin. Fallt bloß nicht auf den Unsinn herein, sie sei eine Vorkämpferin für die Gerechtigkeit, die denen, die nicht mehr sprechen können, eine Stimme geben will, eine Ärztin, die fest daran glaubt, dass man niemandem Schaden zufügen darf Tatsache ist jedenfalls, dass Scarpetta unter Größenwahn leidet und CNN eingeredet hat, sie stelle sich aus reiner Nächstenliebe in den Dienst der Gesellschaft, obwohl sie nur ihre eigenen Interessen verfolgt ...
     
    Scarpetta hatte genug gelesen und verstaute ihr BlackBerry in ihrer Handtasche. Sie ärgerte sich über Bryce, der ihr vorgeschlagen hatte, sich diesen Dreck überhaupt anzusehen, und war so wütend auf ihn, als wäre er selbst der Verfasser. Auch auf seine kritischen Anmerkungen zu dem Foto neben der Kolumne hätte sie gern verzichtet. Auf dem BlackBerry war die Abbildung zwar nur sehr klein, vermittelte ihr jedoch einen guten Eindruck davon, was er gemeint hatte, als er das Foto als »wenig schmeichelhaft« bezeichnete.
      Sie sah darauf aus wie eine Teufelin in einem blutigen OP-Kittel, mit Gesichtsschutz und einer Einwegmütze, die an eine Duschhaube erinnerte. Ihr Mund war zum Sprechen geöffnet, und ihre blutige Hand schwenkte ein Skalpell, als wollte sie jemandem damit drohen. Der schwarze Gummi-Chronograph an ihrem Handgelenk war ein Geburtstagsgeschenk von Lucy aus dem Jahr 2005. Also musste das Foto innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre entstanden sein.
    Aber wo?
      Scarpetta hatte keine Ahnung. Der Hintergrund war wegretuschiert.
      »Vierunddreißig Dollar und zwanzig Cent«, verkündete der Fahrer laut und stoppte abrupt das Taxi.
      Scarpetta blickte aus dem Fenster und betrachtete das geschlossene schwarze Eisentor der ehemaligen Psychiatrischen Klinik Bellevue, eines abweisenden, etwa zweihundert Jahre alten Backsteinbaus, der schon seit Jahrzehnten keinen Patienten mehr gesehen hatte. Keine Lichter, keine Autos, niemand da, das Pförtnerhäuschen hinter dem Zaun verwaist.
      »Nicht hier«, rief sie durch die Öffnung in der Plexiglasscheibe. »Das ist das falsche Bellevue.«
      Sie wiederholte die Adresse, die sie dem Fahrer am LaGuardia-Flughafen gegeben hatte. Doch je mehr sie erklärte, desto beharrlicher wies er mit dem Finger auf den Eingang, wo, eingemeißelt in Granit, Psychiatrische Klinik zu lesen war. Scarpetta beugte sich vor und deutete auf einige hohe Gebäude einige Straßen weiter. Aber der Mann war starrsinnig, sprach kaum Englisch, weigerte sich, sie anderswohin zu fahren, und verlangte, dass sie sofort sein Taxi verließ. Wie Scarpetta vermutete, wusste er wirklich nicht, dass das Bellevue Hospital Center nicht diese gespenstische Bruchbude war, die aussah wie eine Kulisse aus Einer flog über das Kuckucksnest. Wahrscheinlich hielt er seinen Fahrgast für eine Psychiatriepatientin, eine gefährliche Geisteskranke, die einen Rückfall erlitten hatte. Weshalb sonst sollte sie Gepäck bei sich haben?
      Scarpetta beschloss, den restlichen Weg trotz des eisigen Windes lieber zu Fuß zurückzulegen, anstatt sich weiter mit dem Mann herumzustreiten. Nachdem sie bezahlt hatte, stieg sie aus, schulterte ihre beiden Taschen und rollte ihren Koffer voll mit selbstgekochtem Proviant über den Gehweg. Dann drückte sie auf einen Knopf an ihrem Bluetooth-Headset.
    »Ich bin fast da ... «, sagte sie zu Benton. »Verdammt!« Ihr Koffer kippte um, als hätte jemand auf ihn geschossen. »Kay, wo steckst du?«
    »Ich bin gerade aus einem Taxi geworfen worden ... « »Was? Wo bist du rausgeworfen worden? Die Verbindung ist schlecht ... «, antwortete er, bevor der Akku endgültig den Geist aufgab.
      Scarpetta fühlte sich wie
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