Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kay Scarpetta 16: Scarpetta

Titel: Kay Scarpetta 16: Scarpetta
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
sie wären morgen sicher das Titelthema gewesen - genau genommen Scarpettas gesamte Tischgesellschaft.
      Sie hatte sich einen Besuch der Wohnung erspart, wo die namenlose Autorin ihre grausamen und böswilligen Kolumnen verfasst hatte. Da sie inzwischen sicher war, die Identität dieser Person zu kennen, hatte sie Mitleid mit ihr. Sie konnte verstehen, warum Terri Bridges ihr hatte schaden wollen. Immerhin hatte sie herzlose und beleidigende E-Mails von ihrem Idol erhalten - oder das zumindest annehmen müssen. Irgendwann war ihr dann der Kragen geplatzt, und sie hatte ihrem Alter Ego Anweisung gegeben, Scarpetta öffentlich zu demontieren. Terri hatte das Feuer auf eine Frau eröffnet, deren vermeintliche Beschimpfungen der Tropfen gewesen waren, der nach einem von Demütigungen geprägten Leben das Fass zum Überlaufen brachte.
      Lucy hatte herausgefunden, dass Terri die beiden Kolumnen vom Neujahrstag am 30. Dezember geschrieben hatte. Sie hatten in einer Warteschleife gelegen und waren automatisch an Eva Peebles geschickt worden, als Terri schon längst nicht mehr lebte. Außerdem hatte Lucy entdeckt, dass Terri am Nachmittag des 31. Dezember, nur wenige Stunden vor ihrer Ermordung, sämtliche E-Mails von Scarpetta612 gelöscht hatte. Benton glaubte allerdings nicht, dass es in Vorausahnung ihres eigenen Todes geschehen war. Vielmehr habe sie nach ihrer anonymen Rache an der Forensikerin, der sie schließlich in der Gerichtsmedizin begegnen sollte, einen Schlussstrich ziehen wollen.
      Benton war überzeugt, dass Terri ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl besessen und deshalb die über hundert E-Mails gelöscht hatte, die sie für einen Schriftwechsel mit Scarpetta hielt. Außerdem hatte sie aus Angst alle Beweise dafür vernichten wollen, dass zwischen Terri Bridges und Gotham Gotcha eine Verbindung bestand. Indem sie die Korrespondenz löschte, hatte sie auch ihre gefallene Heldin aus ihrem Leben getilgt.
      So lautete zumindest Bentons Theorie. Scarpetta konnte nicht mit einer eigenen aufwarten und wusste nur, dass alles immer nur Mutmaßungen bleiben würden.
      »Ich habe Oscar einen Brief geschrieben«, sagte sie, öffnete ihre Handtasche und nahm einen Umschlag heraus. »Ich finde, alle sollten ihn lesen. Also werde ich ihn herumreichen. Aber du sollst ihn als Erster zu sehen bekommen. Keine E-Mail, sondern ein richtiger Brief auf echtem Papier, meinem persönlichen Briefpapier, das ich schon seit Menschengedenken nicht mehr benutzt habe. Allerdings habe ich ihn nicht mit der Hand geschrieben, denn mit meiner Handschrift geht es stetig bergab. Da es keine Gerichtsverhandlung geben wird, kann ich laut Jaime Oscar gegenüber offen sein. Ich habe mein Bestes getan, um ihm zu erklären, dass Terri von ihrer Familie übel mitgespielt wurde. Diese Beeinflussung im Kindesalter hat dazu geführt, dass sie ihr gesamtes Umfeld zu beherrschen versuchte. Sie war zornig, weil sie gekränkt wurde, was häufig dazu führt, dass jemand ziellos um sich schlägt. Doch im Grunde ihres Herzens war sie ein guter Mensch. Ich fasse den Brief deshalb für dich zusammen, weil er ziemlich lang ist.«
      Sie zog vier zusammengefaltete dicke cremefarbene Seiten aus dem Umschlag, strich sie sorgfältig glatt und überflog sie, bis sie die Passage gefunden hatte, die sie Benton zeigen wollte.
    Leise begann sie vorzulesen:
    ... Oben in ihrer Geheimwohnung, wo sie ihre Kolumnen schrieb, standen auch die gelben Rosen, die Sie ihr geschenkt hatten. Sie hat jede von ihnen aufbewahrt, und ich wette, das hat sie Ihnen nie verraten. Niemand würde so etwas tun, wenn er nicht tief für die betreffende Person empfindet, Oscar. Ich möchte, dass Sie das nie vergessen, und falls Sie es doch tun, lesen Sie diesen Brief noch einmal. Deshalb habe ich ihn ja geschrieben. Als Gedächtnisstütze sozusagen.
      Ich habe mir auch die Freiheit genommen, Terris Eltern zu schreiben, mein Beileid auszudrücken und ihnen alles zu erzählen, was ich wusste, denn sie hatten unzählige Fragen auf dem Herzen. Wie ich fürchte, war Dr. Lester ihnen keine große Hilfe. Deshalb habe ich die Wissenslücken mit einigen Telefonaten und E-Mails gefüllt.
      Ich habe Terris Eltern auch von Ihnen erzählt. Vielleicht haben sie ja inzwischen schon von sich hören lassen. Wenn nicht, werden sie es sicher noch tun. Außerdem soll ich Ihnen erklären, was in Terris Testament steht. Sie wollten Ihnen auch deswegen schreiben.
       Ich werde ihren Letzten Willen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher