Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katzensprung

Katzensprung

Titel: Katzensprung
Autoren: Christiane Gibiec
Vom Netzwerk:
Augen des offensichtlich noch sehr jungen Kollegen. Sein
Gesicht kam ihr nicht bekannt vor.
    »Verdammt!«, schrie Hanna
erschrocken.
    Im Rückspiegel erkannte sie, wie
der Beamte unverletzt von der Fahrbahn auf den Wanderparkplatz des Waldstückes
stolperte. Die Kelle hatte den Vorfall ganz offensichtlich nicht überlebt. Ihre
Plastiksplitter regneten auf die Straße. Hanna griff sich das iPhone vom Sitz
und bellte hinein: »Bringst du den Frischlingen eigentlich nichts zum Thema
Eigensicherung bei?«
    Es dauerte einen Augenblick, bis
Kürten antwortete.
    »Wovon sprichst du?«
    »Ich hätte den Knallfrosch, der
mich anhalten wollte, gerade beinahe überfahren. Hab den noch nie bei uns
gesehen. Ganz junges Gemüse …«
    »Wir bilden im Moment nicht
aus«, antwortete Kürten. Er klang beleidigt.
    In diesem Moment sah Hanna im
Rückspiegel, wie ein blau-silberner Einsatzwagen mit Blaulicht vom Parkplatz
auf die Landstraße einbog.
    »Jetzt folgen die mir auch noch!
Pfeif die Kollegen gefälligst zurück!«, rief Hanna ins Telefon.
    »Wir führen heute keine
Verkehrskontrollen an der Hülsenstraße durch«, hörte sie Kürten sagen. Hannas
nächster Blick fiel auf das Hildener Ortsschild.
    »Oh nein. Scheiße!«
    »Du wiederholst dich.«
    Kürten beendete die Verbindung.
Hanna gab Gas und raste am Ortsschild vorbei. Erst jetzt fiel ihr ein, das
Blaulicht auf dem Dach einzuschalten. Als sie die Sirene hinter sich hörte,
schaltete sie die eigene Sirene ebenfalls ein.
    Hanna brauchte nicht in den
Rückspiegel zu blicken, um zu wissen, dass der Streifenwagen, der ihr folgte,
ein Düsseldorfer Kennzeichen trug. Auf die Idee, anzuhalten und die Lage zu
klären, kam Hanna nicht. Erstens war es nicht mehr weit bis zum Gelände der
gerade abgerissenen Sparkasse im Hildener Zentrum. Zweitens verlor Hanna nicht
gern. Auch keine Verfolgungsfahrten, bei denen sie die Verfolgte war.
    Also rasten die beiden Wagen »in
voller Montur«, wie es unter Kollegen hieß, mit Blaulicht und Martinshorn
Richtung Innenstadt. Dass es sich um eine Verfolgung handelte, war dabei nur
den unmittelbar Beteiligten klar. Für alle anderen sah es aus wie ein eiliger
Einsatz. Aus Hannas Sicht stimmte beides.
    * * *
    Ich hätte es wissen müssen. Der
Tag hat schon beschissen begonnen, dachte Hanna und reckte ihre Hände gut
sichtbar über das Autodach. Damit niemand von der Streifenwagenbesatzung auf
der anderen Seite der Straße das Feuer auf sie eröffnete.
    Der junge Beamte, den sie fast
überfahren hatte, trug einen auffälligen Leberfleck oder ein Muttermal zwischen
Oberlippe und Nase. Hanna war sich nicht sicher, ob das Mal den Eindruck von
Ekel und Wut verstärkte oder ob der junge Mann, der mit gezogener Waffe auf sie
zueilte, einfach nur kurz vor der Raserei, also der ohne Streifenwagen, stand.
    »Hee, sachte!«, rief Hanna, als
der Junge sie grob an den Astra drückte und durchsuchte.
    Er schwieg verbissen, erinnerte
sie an ihren Sohn Julian, wenn er Fernsehverbot oder Ausgangssperre erhalten
hatte und sich ungerecht behandelt fühlte. Als der Beamte die Waffe in der
Innentasche von Hannas patinierter Lederjacke der amerikanischen
Traditionsmarke »Schott« ertastete und sicherstellte, beeilte sie sich zu
sagen: »Marke und Dienstausweis finden Sie links oben in der Brusttasche,
Kollege.«
    Doch er machte keine Anstalten,
Hanna weiter zu durchsuchen, sondern schlug mit der freien Hand auf das Dach
des Astra. Das magnetische Blaulicht machte einen kleinen Hüpfer.
    »Sie! … Verdammt! … Wollten Sie
mich absichtlich über den Haufen fahren?«, kiekste der Junge mit
überschnappender Stimme. Der Kerl schnappte vor Wut fast über, und seine Stimme
tat es ihm gleich.
    » Du bist mir doch in den Weg
gesprungen wie ein übereifriger Kastenteufel!«, goss Hanna Öl ins Feuer.
    »Was?«, brüllte der Polizist. »Ich werde Ihnen …«
    »Berti, lass gut sein!«
    Wenn seine etwas ältere Kollegin nicht beschwichtigend zur Hilfe
geeilt wäre, hätte die Situation vor der Baustelleneinfahrt am Eingang der
Fußgängerzone durchaus weiter eskalieren können. Aber da war zum Glück auch die
sonore Stimme des Kollegen Werner Kürten, der, fast zwei Meter groß und in
beeindruckend korrekter Uniform, aus dem Baustellengelände der Hildener Sparkasse
kam.
    »Immer mit der Ruhe, Kollege. Was liegt an?«
    Hanna bemerkte, dass Kürten dem halb spuckend, halb mit
überschlagender Stimme vorgetragenen Katalog an Anschuldigungen nur mit einem
Ohr zuhörte. Der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher