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Katzensprung

Katzensprung

Titel: Katzensprung
Autoren: Christiane Gibiec
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ein
filmreifes Knarren und Ächzen von sich, als Kürten sie, mit der Schulter
dagegengestemmt, unter Mühen öffnete.
    »Ich komm mir vor, als wäre ich in einem Harry-Potter-Film
gelandet«, murmelte Hanna. »Werner, wenn das hier wieder einer von euren
Kollegenscherzen ist, dann bekommt ihr mächtigen Ärger.«
    »Sag mal, wieso quasselst du eigentlich so viel?«, fragte Kürten
amüsiert. »Kann es sein, dass du dich fürchtest? Nach dir …«
    Er versuchte, Hanna am letzten Lampenstativ vorbei sanft durch die
Tür in die Dunkelheit zu schieben. Doch sie hielt sich mit beiden Händen im
Türrahmen fest. Ihre Handschuhe quietschten protestierend über das uralte Holz.
    »Jetzt zier dich nicht so«, sagte Kürten lächelnd, während Hanna der
Schweiß ausbrach.
    Mit seinen gefletschten Zähnen ähnelte ihr Kollege und Freund mit
einem Mal einem urzeitlichen Dämon, der im flackernden Licht von Pechfackeln
einen Veitstanz aufführte, bevor er seine Beute in das Verlies warf.
    Tatsächlich warf Hanna nur die Lampe um, daher das Flackern. Sie
strampelte keuchend mit beiden Füßen, obwohl Kürten sie bereits losgelassen
hatte und immer wieder ihren Namen rief.
    Das Licht an der Tür verlosch mit einem Knall, und nur mit Mühe
konnte Kürten Hanna daran hindern, ihre Dienstwaffe aus der Jacke zu ziehen.
    »Hanna, mein Gott, Hanna! Jetzt beruhige dich. Was ist denn los? Hanna !!«
    Sie bekam ihre Atmung in den Griff. Ein guter erster Schritt, um die
Angst zu besiegen, hatte der Therapeut gesagt. Lange bevor sie ihn gefeuert
hatte.
    Erst die Atmung kontrollieren, dann die Sinneseindrücke verarbeiten.
Und zwar einen nach dem anderen.
    Kürten schrie immer noch auf sie ein und versuchte, sie wieder auf
die Füße zu zerren. War sie ohnmächtig geworden? Nein. Aber in die Knie
gegangen, ganz offensichtlich. Sie rappelte sich auf. Sie brauchte ein paar
Sekunden, um sich zu sammeln. Ihre Lederjacke knirschte über die rötlichen
Ziegel, aus deren Fugen müder Mörtel bröckelte.
    »Ich mache Licht«, sagte Kürten.
    »Es riecht so furchtbar muffig«, stöhnte sie atemlos.
    Kürten stellte die verloschene Lampe wieder auf. Er murmelte, dass
Hanna kurz warten solle, und verschwand hinter der Tür. Ein Luftzug hüllte
Hanna mit einem modrigen Geruch ein, zusammen mit einer Duftnote, die sie nur
zu gut kannte.
    Der Hauch des Todes, dachte sie. Der Leichengeruch war viel
schlimmer, als sie ihn in Erinnerung hatte. Hanna war bei Gerüchen besonders
empfindlich. Im Raum hinter der Tür flackerten Scheinwerfer auf. Sehr viel
Licht und ziemlich hell, das wunderte sie.
    »Geht’s wieder?« Kürten erschien mit einer gleißenden Aura im
Türrahmen.
    »Ich habe … Platzangst«, gab Hanna als einfachste aller Erklärungen
zur Antwort.
    »Ehrlich? Das wusste ich nicht.«
    »Du solltest mich mal in Fahrstühlen erleben«, sagte sie und
lächelte schwach. »Oder in Heizöltanks.«
    »Oh … äh, ja … verstehe.« Gegen das helle Licht hinter Kürten konnte
Hanna nicht sehen, wie er von den Haarwurzeln bis zu den Fußspitzen errötete.
    Natürlich, der Fall Steinberg, dachte er.
    Hannas erste Ermittlung im neuen Job hatte sie bis in einen leeren
alten Heizöltank gebracht. Kürten war zwar nicht dabei gewesen, wie Hanna einem
alten Mann, der in diesen Tank gesperrt worden war, das Leben gerettet und sich
selbst dabei in Lebensgefahr begeben hatte. Er konnte allerdings gut
nachvollziehen, dass sie nach diesem Erlebnis enge, dunkle Räume mied. Und in
genau so eine Situation hatte er sie gerade gebracht.
    »Hör mal, es tut mir wirklich leid!«
    Sie winkte ab. »Solange es sich nicht um einen Scherz, sondern um
einen Job handelt.«
    »Oh ja«, sagte er und brachte all seine Kraft auf, um die schwere
Holztür weit genug aufzuschieben, damit Hanna sich ein Bild machen konnte. »Ein
Job ist es wirklich.«
    * * *
    Der Leichnam lag auf dem Rücken. Die zottige Kopfbehaarung schien
blond zu sein, soweit das unter dem Staub zu erkennen war. Sein kurzer
Schnauzbart jedenfalls war es. Beide Arme lagen ausgestreckt auf dem Boden, und
die Handflächen waren nach innen zur Körpermitte gerichtet. Die Beine waren
ebenfalls ausgestreckt.
    »Wie ist der hier heruntergekommen?«, fragte Hanna, als sie ein paar
Schritte in den Raum gemacht hatte.
    Die gleißende Beleuchtung konzentrierte sich auf den Körper am
Boden. Sie ging in die Hocke.
    »Ihr habt den Eingang doch gerade erst freigelegt, oder? Wie alt ist
die Leiche überhaupt?« Hanna redete vor
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