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Katzensprung

Katzensprung

Titel: Katzensprung
Autoren: Christiane Gibiec
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die Hände vor den Mund. »Sie glauben doch nicht etwa,
dass Luna … Sie war den ganzen Nachmittag und Abend hier, auch in den letzten
Tagen, das kann ich beschwören.«
    Luna kam im Nachthemd aus ihrem Zimmer, sie wirkte verschlafen.
    »Was wollen die Bullen denn schon wieder hier?«, sagte sie zu Trudi
und würdigte Olga und Lepple keines Blickes. »Da kann ja kein Mensch schlafen.«
    »Igor ist weg«, sagte Trudi, »heute Abend aus einem Krankenwagen
ausgebrochen.«
    »So ein Pech aber auch«, näselte Luna mit ihrer arrogantesten
Stimme, »da haben die sich ja umsonst die ganze Mühe gemacht.«
    »Sie müssen uns sagen, wenn Sie etwas darüber wissen, Fräulein
Sassi«, bellte Lepple, »Sie machen sich sonst strafbar.«
    Lunas Gesichtsaudruck wurde immer gelangweilter. »Was ich nicht
weiß, macht mich nicht heiß, so einfach ist das. Ich wusste nicht, dass er
abhauen wollte und wo er hin ist, und wenn Sie sich auf den Kopf stellen. Ich
weiß von gar nichts.«
    »Sie hatten ja gar keinen Kontakt«, mischte sich Trudi ein, deren
Hände fahrig in ihren Haaren nestelten, »sie haben sich seit der Beerdigung von
Igors Mutter nicht mehr gesehen.«
    »Genau«, sagte Luna und trat den Rückzug in ihr Zimmer an, »und mich
entschuldigen Sie wohl jetzt, hab morgen Schule. Sie wollen ja sicher nicht,
dass ich meine Englischarbeit verhaue.«
    »Der gehört der Hintern versohlt«, grollte Lepple, als Trudi die
Wohnungstür hinter ihnen abgeschlossen hatte.
    Sie blieben eine Weile davor stehen und horchten. Es kam ihnen vor,
als würde jemand in der Wohnung mit den Füßen trampeln und erstickte
Freudenschreie ausstoßen. Gleich darauf war Trudis beschwichtigende Stimme zu
hören, dann war alles ruhig.
    Stefan Bauer hatte Beamte geschickt, die vor Sassis Wohnung,
Igors ehemaliger Wohnung in der Hermannstraße und der Spielhalle am Berliner
Platz Posten bezogen. Der Spielhalle statteten Olga und Lepple ebenfalls einen
Besuch ab. Der Betreiber verneinte die Frage, ob noch einmal russische Fernfahrer
aufgetaucht seien, und gab sich noch verschlossener als bei Olgas erstem
Besuch. Er habe bereits alles gesagt, was er wisse, und das sei so gut wie
nichts.
    »Sie haben ihn ja jetzt in der Kiste, den armen Kerl«, knurrte er.
»Ich hoffe nicht, dass meine Aussage dazu beigetragen hat.«
    Sie sagten ihm nichts von Igors Flucht, er würde es am nächsten Tag
aus den Medien erfahren.
    »Ich glaube, den kriegen wir nicht«, sagte Olga, als Lepple sie nach
Hause brachte. »Der hat jetzt vier Stunden Vorsprung, und sie können ja nicht
jeden Laster auseinandernehmen. Ich vermute, er hat sich in einem Container
unter irgendwelchen Waren versteckt. Vielleicht hat er einen Luftschlauch im
Mund und meditiert.«
    »Oder er liegt in der Zwischendecke einer Fahrerkabine«, sinnierte Lepple,
»wie ein ägyptischer König im Sarkophag.«
    »Er ist intelligent und schnell und trotz aller Probleme auch immer
wieder ein Glückspilz«, sagte Olga, »und er kann was aushalten. Von dessen
Zähigkeit könnte sich manch einer von uns eine Scheibe abschneiden.«
    Zwei Tage später war Igor immer noch nicht gefunden worden, und
die Hoffnung darauf schwand mit jeder Stunde. Kurz vor der Mittagspause kam
Stefan Bauer mit einem Asservatenbeutel in Olgas Büro.
    »Du wirst es nicht glauben«, sagte er, »Tasche und Tascheninhalt von
Ramona Wenkler, und der fehlende Schuh, in einer Plastiktüte, wie der
Beschuldigte gesagt hat. Eine Frau hat die Tüte abgegeben. Sie hat sie
entdeckt, als sie die Spielsachen ihrer fünfjährigen Tochter aufräumen wollte.
Die Kleine hat die Tüte in einem Hof in der Zeughausstraße gefunden und als
Schatz versteckt.«
    Die Spuren waren bereits gesichert und das iPhone aufgeladen worden.
Auf dem Handy waren zwei Filmdateien abgespeichert, die sich Olga und Bauer
zusammen mit Lepple ansahen.
    Im ersten Film ist Emilio Sassi zu sehen, nackt, zerzaust, mit
grauer Brustbehaarung; er versucht, aus dem Bett zu steigen.
    Milio, hierhergucken, guck mal, ruft es kehlig und aufgekratzt, ja,
steh auf, komm, lass alles sehen, los, Milio, sei kein Frosch, ich muss doch
was von dir haben, wenn du weg bist.
    Olga fühlte sich unbehaglich – die Stimme der Toten, die Intimität
der Situation.
    Er lässt sich wieder zurück ins Bett fallen und hält seine Hand vor
die Kamera.
    Lass, bitte, lass diesen Blödsinn, amore ,
bitte lass das.
    Er spricht mit italienischem Akzent, sein Gesichtsausdruck ist
unsagbar dämlich und unglücklich. Er zieht
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