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Katzensprung

Katzensprung

Titel: Katzensprung
Autoren: Christiane Gibiec
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Gesicht des Jungen, über das ein Leuchten gegangen
war, als er Lunas Geschenk ausgewickelt hatte. Er hatte die Nougattrüffel
betastet wie eine Kostbarkeit und nach dem Mädchen gefragt, ein verliebter
Apoll, aber leider auch ein stinknormaler Hetero, wie der Anwalt sich seufzend
eingestehen musste.
    ***
    Der Rest von Olgas verlängertem Wochenende in Serbien bestand
aus Shoppen mit den Cousinen in den Einkaufsmeilen von Belgrad und
Verwandtenbesuchen in den umliegenden Dörfern. Das bedeutete sitzen und essen,
Berge von Schweinefleisch, bei jedem Onkel, jeder Tante, bis es einem zu den
Ohren herauskam.
    Tante Jivka erkundigte sich eingehend nach den Einkaufsmöglichkeiten
in Wuppertal, Lenka säuselte mit falschem Grinsen, es lohne sich überhaupt nicht,
in Belgrad sei es besser und billiger.
    »Aber Düsseldorf«, schwärmte Jivka mit Pathos, »da gibt es Luxus,
den haben wir hier gar nicht. Mein Leben würde ich geben, wenn ich einmal über
die Königsallee flanieren könnte.«
    Am Dienstagabend stand Max mit Rosen am Flughafen und nahm Olga
strahlend in Empfang. Er war müde nach einer Nacht mit zahnenden Kindern, aber
er hatte Zeit bis zum nächsten Morgen. Weil Tülay nicht da war, machten sie
sich einen gemütlichen Abend im Bett. Olga war verliebt und glücklich, sie
konnte sich überhaupt nicht vorstellen, jemals Trennungsgedanken gehegt zu
haben.
    Gegen zehn, Max war schon fast eingeschlafen, klingelte Olgas Handy.
»Lepple ruft an«, blinkte das Display, sie verdrehte die Augen.
    Lepple keuchte, seine Stimme überschlug sich. »Er ist weg, heute
Abend getürmt, auf dem Weg nach Fröndenberg.«
    »Das ist nicht wahr.« Olga sprang aus dem Bett. »Ich hab’s gewusst.
Ich hab’s GEWUSST . Wie hat er es gemacht?«
    »Einen Epilepsieanfall vorgetäuscht, so echt, dass sie alle drauf
reingefallen sind. Die dachten, das wäre ein ganz lieber Junge, er hat sich ja
vorbildlich benommen. Außerdem war er vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln, deshalb
haben sie ihm keine Handschellen angelegt. Kein Mensch dachte, dass er mit so
einer Dröhnung abhauen könnte. Er ist an einer roten Ampel aus dem Auto
gesprungen. Die Fahndung läuft großräumig, sie konzentrieren sich auf russische
Lastwagen.«
    Olga stellte die Lautsprecherfunktion des Handys an, während sie
sich Jeans und Pulli überzog.
    »War schon jemand bei Luna Sassi?«, rief sie.
    »Bauer sagt, wir sollen das als Erstes machen. Ich hol dich ab«,
schnappte Lepple, »in zehn Minuten.«
    Max hatte sich aufgesetzt. »Sag du noch mal was, wenn ich keine Zeit
habe«, maulte er. »Ehrlich, dieser Russe. Wenn jemand Grund hätte, eifersüchtig
zu sein, dann ja wohl ich.«
    Auf dem Weg zur Ottostraße schilderte Lepple den Ablauf der
Flucht.
    Igor hatte einen epileptischen Anfall bekommen, der trotz einiger
Beruhigungsspritzen nicht abebbte. Der Arzt wollte kein Risiko eingehen und
überwies den Jungen ins Gefängniskrankenhaus Fröndenberg. Kurz vor dem Ziel
musste der Transportwagen an einer roten Ampel halten, der Junge sprang hinaus
und verschwand so blitzschnell in einem Wald, dass nachher niemand vom
Wachpersonal mehr genau sagen konnte, wie es passiert war.
    »Das muss vorbereitet gewesen sein«, sagte Lepple, »es muss jemand
auf ihn gewartet haben. Sonst hätte der sich nicht so in Luft auflösen können.«
    Eine großflächige Fahndung war sofort eingeleitet worden, aber der
Junge war wie vom Erdboden verschluckt. Die Grenzposten nach Polen und Russland
waren alarmiert, und die russischen Lastwagen mit dem Ziel südliches
Wolgagebiet wurden verstärkt überprüft.
    Trudi Sassi erschrak, als Olga und Lepple gegen halb elf bei ihr
klingelten und nach Luna fragten.
    »Sie ist schon im Bett«, sagte Trudi, »sie schreibt morgen eine
Englischarbeit. Was ist denn los?«
    »Ist Ihnen an Luna in den letzten Tagen etwas aufgefallen?« Olga
setzte ihr amtlichstes Gesicht auf und sah Trudi streng an.
    »Nein, außer vielleicht, dass sie gut drauf ist, sie ist so vergnügt
wie schon lange nicht mehr. Die Schule macht ihr wieder Freude, und sie fiebert
darauf hin, dass ihre Freundin Clara nächste Woche aus Bordeaux wiederkommt.
Sie hat doch nichts angestellt?«
    »Hat sie irgendwas von Igor gesagt?«
    »Nein, sie spricht nicht über ihn. Wenn ich von der Sache anfange,
blockt sie mich ab und wird unverschämt, also umgehe ich das Thema.«
    »Er ist heute Abend geflohen«, sagte Olga, »aus einem Krankenwagen,
der ihn ins Krankenhaus bringen sollte.«
    Trudi schlug
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