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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
Autoren: Matthias Zipfel
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wieder angeschlichen, leckte mir über das Gesicht, was mir zu meinem Glück noch fehlte, setzte sich dann neben mich und begann unaufhörlich zu jaulen, bellen, winseln.
    Nach einer Weile hatte sich eine kleine Traube von Menschen um mich versammelt: Endlich mal wieder etwas los hier. Schaurig-schön.
    »Den haben die ja ganz schön zugerichtet, was?«
    »Kann man wohl sagen. Sieht ja eklig aus!«
    »Haben Sie mitgekriegt, was da genau passiert ist?«
    »Nee, hab’ nur den Hund gehört und bin dann mal gucken gegangen.«
    »Was wohl dahinter steckt?«
    »Keine Ahnung.«
    »Vielleicht so eine Mafia-Sache?«
    »Keine Ahnung.«
    »Oder ein Eifersuchtsdrama, könnte ja sein, oder?«
    »Ja, vielleicht. Keine Ahnung.«
    »Oder einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Kennt man ja.«
    »Ja. Das heißt: Ich kenne das eigentlich nicht.«
    »Kann einem schon leid tun, der arme Kerl, was?«
    »Ja, kein schöner Anblick. Wirklich nicht.«
    Das war das Letzte, was ich deutlich hören konnte, denn mittlerweile fiel mir nicht nur das Atmen schwer, sondern auch das Hören, weil mir das Blut immer lauter in den Ohren pochte. Und das Sehen. Mein Blick verengte sich von Sekunde zu Sekunde, wie bei einem alten Spanner, der mit erigiertem Fernglas in anderer Leute Schlafzimmer glotzt.
    Ein Mann trat neben mich, ging in die Hocke und fragte mich etwas mit ruhiger Stimme. Aber ich konnte ihn nicht verstehen und ihm deshalb auch nicht antworten. Und ich wollte irgendwie auch nicht. Ich wollte eigentlich nur noch meine Ruhe. Der Gedanke, ohnmächtig zu werden, wurde mir immer angenehmer. Oder vielleicht sogar das Zeitliche zu segnen, jetzt und hier, zwischen Blut und Rotz und Regenwasser, ohne weitere Umstände, einfach so – auch eine Alternative. Ich hatte es alles so satt! Warum bekam ich immer meine Rechnungen so unverzüglich und zur sofortigen Begleichung? Warum konnte ich nicht, wie die anderen auch, ganz einfach meinen Job machen, ohne dass man mir gleich ans Leder ging? Warum musste jeder ständig beweisen, wie überaus gerissen er war, und bewies dabei doch nur seine Dummheit? Alle wollten immer bloß »mehr«, »größer«, »besser«. Meine Wünsche waren viel einfacher, bescheidender und gleichzeitig viel utopischer: Ein anständiger Mensch zu sein und es zu bleiben, auch wenn die Umstände widrig wurden, vernünftig mit den anderen umzugehen, ihre Würde zu achten und damit die eigene zu retten, nicht ständig nach eigenen Vorteilen zu jagen, die andere dann teuer zu stehen kamen, solidarisch zu sein und es nicht einfach mit einem Schulterzucken hinzunehmen, dass hier und anderswo die Menschen ständig belogen, betrogen und verheizt wurden. Das waren sie, meine kleinen, naiven Heldenträume. Denn es war doch so: Man musste mittlerweile schon zum Helden werden, wenn man Mensch bleiben wollte. Sobald Arno wieder auf den Beinen stehen und sich alleine anziehen könnte, würde er sein strammes Heldenkostümchen überstreifen und als »Super-Arno« mal so richtig dazwischen schlagen. Soviel stand fest.
    Ich musste über meine krausen Gedanken selber lachen. Und das tat so verdammt weh, dass ich hätte weinen mögen.
    Im Hintergrund, ganz weit weg, so als hätte jemand mir mein Spanner-Fernglas heimlich umgedreht, blinkte ein Blaulicht durch die feuchte Luft, kalt, hektisch, grell. Und, was die Sache wirklich unangenehm machte: meinetwegen.

Epilog
    Man muss immer auch das Positive sehen. Selbst wenn’s schwerfällt. Mein Motto. Jedenfalls: Bald bin ich wieder fast wie neu, mit allem da, wo es hingehört. Voraussichtlich. Ist doch schon mal was, oder?
    Das war’s aber auch schon mit dem Positiven, denn leider und zu allem Überfluss bin ich hier nicht allein. Links neben mir liegt Hermann, der wie auf Knopfdruck ständig furzt, Wilfried dagegen, der sich stattdessen unablässig kratzt, liegt rechts von mir. Und das bedeutet: erst Fenster zu, weil der Furzer leider auch schnell friert. Dann wieder auf, weil Wilfried beim sich Kratzen schnell ins Schwitzen kommt. Ich mittendrin.
    Fast jeden Tag bekommen sie Besuch und ich bleib auf dem Laufenden, was in der großen, weiten Welt so vor sich geht. Dass »Gerdas Bandscheibe zum wiederholten Mal Sperenzchen macht« zum Beispiel. Und dass die »Müllersche von nebenan schon wieder einen Neuen hat. Einen unsympathischen Schmarotzer«, da sind sich alle einig. Doch nicht nur das: »Kevin wird dieses Jahr wohl sitzen bleiben. Unter anderem wegen Mathe«. Tut mir natürlich leid. Und
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