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KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)

Titel: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine (German Edition)
Autoren: Matthias Zipfel
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hängen. Sogar alle beide. Entweder war der Hund wirklich sensibel oder einfach nur ein begabter Schauspieler.
    Irgendwo, nicht sehr nah, aber auch nicht allzu weit entfernt, explodierte ein Silvesterknaller. Nahm ich jedenfalls an. Gab also anscheinend außer mir noch mehr Leute, die dieses noch kaum verbrauchte Jahr schon jetzt so mies fanden, dass sie es möglichst schnell wieder loswerden wollten.
    Dann fing es auch noch an zu regnen. Bis ich zu Hause sein würde, wären die schönen Klamotten versaut. Und dazu noch die Aussicht auf den betörenden Duft von nassem Hund in der Wohnung. Na, wunderbar!
    Ich legte einen Zahn zu, überquerte die Straße und bog um die nächste Ecke, den Blick immer noch fest auf den Weg vor mir geheftet, auf dem die Regentropfen erst schwarze Punkte, dann abstrakte Muster und schließlich einen schmierigen Film hinterließen.
    Jemand kam mir entgegen und ich versuchte instinktiv, ihm oder ihr auszuweichen. Ich weiß auch nicht, mit welchem Sinnesorgan man jemanden kommen fühlt. Klappt aber ganz gut, besonders in dunklen Seitenstraßen. Und ist vor allem praktisch, wenn man nicht aus seinem Weltschmerz gerissen, sondern in Ruhe gelassen werden will. Nur das Ausweichmanöver als solches klappte diesmal nicht, auch das fühlte ich. Deshalb blieb ich einfach stehen und dachte: Also gut, sollte der andere doch gefälligst Platz machen, wer immer es auch war. War mir so was von egal, meine Neugier reichte noch nicht einmal um nachzusehen. Und das war wahrscheinlich der entscheidende Fehler.
    Einige Augenblicke später erschienen zwei schwere Lederstiefel in meinem Blickfeld. Ziemlich große Füße, stellte ich fest, und blickte erst jetzt, immer noch völlig in Gedanken versunken, langsam auf, stufenweise wie ein Scanner, sah als Erstes direkt vor mir auf eine ziemlich breite, ebenfalls belederte Brust, darüber ein ziemlich kräftiger Hals, darauf ein ziemlich breiter Kopf mit Bart und auf diesem Kopf eine ziemlich alberne Gulaschkanone aus Metall – Mooseder!
    Neben mir winselte Gottfried. Ich guckte zu ihm herunter, und als sich unsere Blicke trafen, konnte ich witzigerweise ganz genau verstehen, was er mir zu sagen hatte: »Machs gut, Arno! Ich habe eben noch etwas zu erledigen, wir sehen uns später!« Dann verschwand er mit angelegten Ohren und eingekniffenem Schwanz um die nächste Hausecke. Nicht gerade sehr honorig von ihm, fand ich, aber andererseits auch das Klügste, was er tun konnte.
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder Mooseder zu. Was blieb mir auch übrig!
    »Wegen dir hat Maria mit mir Schluss gemacht. Wegen dir will sie jetzt nichts mehr von mir wissen. Dafür bezahlst du jetzt, du Schwein!« zischte er mich an.
    Es heißt »deinetwegen« und nicht »wegen dir«, du Holzkopf, dachte ich noch, als auch schon dieser Schatten auf mich zuflog, der, je näher er kam, immer weniger wie ein Schatten aussah, dafür immer mehr wie eine geballte Faust, und mir schließlich mit beleidigender Leichtigkeit das Nasenbein zertrümmerte.
    Das hätte eigentlich ganz schön wehtun müssen. Stattdessen stellte ich nur verwundert fest, dass die Flüssigkeit, die mir in den Rachen rann, nach Eisen schmeckte. Wieso eigentlich nach Eisen? Wenn meine Nase aus Eisen wäre, dann wäre sie nicht so leicht zerbrochen, oder? Überhaupt: Hätte ich die Wahl gehabt, dann hätte ich jetzt viel lieber meine Ohren riechen mögen als meine Nase brechen hören. Es war schon merkwürdig, welch seltsame Gedanken einem doch durch den Kopf gingen, während einem gerade jemand das Nasenbein in Stücke schlug!
    Ich hob mit einer Verzögerung, die ich mir selber nicht so recht erklären konnte, beide Hände vors Gesicht. Mit dem Ergebnis, dass sie mir jetzt woanders schmerzlich fehlten. Denn Mooseder trat mir im nächsten Moment mit voller Wucht zwischen die Beine. Mir blieb die Luft weg und ich krümmte mich nach vorn, unausweichlich Mooseders Knie entgegen, das zur gleichen Zeit nach oben schnellte. Es knackte etwas in meiner Brust, ich fiel vornüber auf die Straße. Und erst jetzt, während ich auf dem Gehweg lag, der nach klammer Kälte roch, während ich schwere Stiefelschritte hörte, die sich schnell entfernten, jetzt erst und mit sadistischer Gleichzeitigkeit fing alles an zu schmerzen – die Nase, die nach Eisen schmeckte und aus Pappe war, die Brust, in der etwas zerknackst war und mir bei jedem Atmen in die Lunge stach, und alles andere sowieso.
    Jetzt, als alles vorbei war, kam auch Gottfried
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