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Katharina von Medici (German Edition)

Katharina von Medici (German Edition)

Titel: Katharina von Medici (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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fließen? Du wirst es wissen, du, der du einer der Maurer des von den Aposteln begonnenen sozialen Gebäudes sein sollst. Solange du deinen Standpunkt über den Häuptern innehältst, wird man dir Beifall klatschen, wenn du aber zur Kelle greifen willst, wird man dich töten.‹
    Blut, Blut! dieses Wort hallte in meinen Ohren wie ein Glockenpuls nach.
    ›Ihrer Meinung nach‹, sagte ich, ›würde der Protestantismus also das Recht besessen haben, gleich Ihnen zu vernünfteln?‹
    Katharina war verschwunden, wie wenn irgendein Windhauch das übernatürliche Licht ausgeblasen hätte, das meinem Geiste dieses Gesicht zu sehen erlaubte, dessen Proportionen riesenhaft geworden waren. Plötzlich fand ich in mir selber einen Teil meines Ichs, welcher die wilden von der Italienerin gelehrten Doktrinen annahm. In Schweiß gebadet, weinend erwachte ich im Augenblick, wo meine siegende Vernunft mir mit sanfter Stimme sagte, daß es weder einem Könige noch selbst einer Nation zukomme, solche eines Atheistenvolkes würdige Prinzipien zu dokumentieren.«
    »Und wie wird man Monarchien, die zusammenstürzen, retten?« fragte Beaumarchais.
    »Gott wohnt da droben, mein Herr«, war meines Nachbars Erwiderung.
    »Also«, warf Calonne mit jener unglaublichen Leichtfertigkeit, die ihn charakterisierte, ein, »liegt unsere Hilfe darin, daß wir uns Bossuets Evangelium gemäß für Instrumente Gottes halten?«
    Sobald die Damen gemerkt hatten, daß die Sache auf eine Unterhaltung zwischen der Königin und dem Advokaten hinauslief, begannen sie mit einander zu flüstern. Ich habe mir die Phrasen mit Ausrufungszeichen geschenkt, die sie in den Advokatendiskurs hineinschleuderten. Doch drangen solche Worte wie: Er ist sterbenslangweilig!... Aber, meine Liebe, wann wird er zu Ende kommen? ... an mein Ohr. Als der Unbekannte zu reden aufhörte, schwiegen die Damen. Monsieur Bodard schlief. Der halbbetrunkene Chirurg, Lavoisier, Beaumarchais und ich waren allein aufmerksam gewesen. Herr von Calonne scherzte mit seiner Nachbarin. In diesem Augenblicke hatte das Schweigen etwas Feierliches an sich. Der Glanz der Kerzen schien mir eine zauberische Farbe zu besitzen. Ein und das nämliche Gefühl hatte uns mit geheimnisvollen Banden an diesen Mann geknüpft, der mir für meinen Teil die unerklärliche Wirkung des Fanatismus begreiflich machte. Es fehlte nur noch die dumpfe und kellerige Stimme des Beaumarchaisschen Nachbars, um uns wachzurütteln.
    »Und ich, ich hab' auch geträumt«, schrie der.
    Da erst sah ich mir den Chirurgen näher an und verspürte, ich weiß nicht was für ein Schaudergefühl. Seine erdige Hautfarbe, seine zugleich unedlen und großen Züge boten den exakten Ausdruck dessen dar, was man mir erlauben möge: die Canaille zu nennen. Einige bläuliche und schwarze Pocken waren wie Kotspritzer über sein Gesicht verstreut und seine Augen sprühten eine finstere Flamme. Dies Gesicht schien vielleicht infolge einer durch eine Frisur à frimas auf seinem Kopfe aufgehäuften Schneemasse düsterer als es in Wirklichkeit war.
    »Der Kerl da muß mehr als einen Kranken eingescharrt haben«, sagte ich zu meinem Nachbar.
    »Meinen Hund würd' ich ihm nicht anvertrauen«, antwortete der mir.
    »Unwillkürlich hasse ich ihn.«
    »Und ich, ich verachte ihn.«
    »Und doch, welch eine Ungerechtigkeit«, erwiderte ich.
    »Oh, mein Gott, übermorgen kann er vielleicht ebenso berühmt sein wie der Akteur Volange«, entgegnete der Unbekannte.
    Herr von Calonne wies auf den Chirurgen mit einer Geste hin, die uns etwa sagen sollte: Der scheint amüsant werden zu wollen.
    »Und Sie sollten auch von einer Königin geträumt haben?« fragte Beaumarchais ihn.
    »Nein, ich habe von einem Volke geträumt«, antwortete er mit einer Emphase, die uns lachen machte. »Ich trug damals Sorge um einen Kranken, dem ich am Morgen nach meinem Traume den Schenkel amputieren sollte...«
    »Und haben das Volk in Ihres Kranken Schenkel gefunden?« fragte Herr von Calonne.
    »Richtig geraten«, antwortete der Chirurg.
    »Ist das unterhaltend!« rief die Gräfin von Genlis.
    »Zu meiner ziemlichen Überraschung«, fuhr der Redner fort, ohne sich durch die Zwischenrufe stören zu lassen und indem er jede seiner Hände in seine Hosentaschen steckte, »fand ich in diesem Schenkel jemanden, mit dem ich reden konnte. Ich besaß die seltsame Fähigkeit, in meinen Kranken hineinzugehen. Als ich mich erstmals unter seiner Haut befand, beschaute ich eine erstaunliche Menge
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