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Katharina von Medici (German Edition)

Katharina von Medici (German Edition)

Titel: Katharina von Medici (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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einen Augenblick in Schweigen. Was ich da sah, das war keine Königin mehr, sondern vielmehr eine jener alten Druidinnen, welche Menschenopfer darbrachten und die Seiten der Zukunft aufzurollen verstanden, indem sie die Erleuchtungen uralter Tage wieder ans Licht zogen. Bald aber erhob sie ihr königliches und ehrfurchtgebietendes Antlitz wieder.
    Und fuhr fort:
    ›Indem sie aller Bürger Aufmerksamkeit auf die Mißbräuche der katholischen Kirche lenkten, ließen Luther und Calvin einen Geist der Forschung in Europa erstehen, welcher die Völker dahinbringen mußte, alles einer Prüfung zu unterziehen. Prüfung aber führt zum Zweifel. Statt eines der Gesellschaft notwendigen Glaubens schleppten sie eine vorwitzige Philosophie, die mit Hämmern bewaffnet war und nach Trümmern gierte, mit sich und verbreiteten sie in weite Fernen. Die Wissenschaft stürzte sich strahlend von ihren falschen Klarheiten aus dem Schoße der Ketzerei. Viel weniger handelte es sich um eine Reform der Kirche als um die unbegrenzte Freiheit des Menschen, die der Tod jedweder Macht ist. Das habe ich erkannt. Die Konsequenz des Erfolges, welcher von den Calvinisten in ihrem Kampfe wider das Priestertum errungen ward, das bereits bewaffneter und furchtbarer war als die Krone selber, wurde der Ruin der von Ludwig dem Elften mit so großen Kosten auf den Scherben des Feudalismus gegründeten monarchistischen Macht. Um nichts weniger handelte es sich als um die Vernichtung der Religion und des Königtums, auf deren Trümmern alle Bourgeoisien der Welt paktieren sollten. Dieser Kampf war also ein Krieg auf Leben und Tod zwischen den neuen Kombinationen und den alten Gesetzen und Glaubenslehren. Die Katholiken waren der Ausdruck der materiellen Interessen des Königtums, der Edelleute und des Klerus. Es war der Kampf bis aufs Messer zwischen zwei Riesen, die Sankt Bartholomäusnacht bedeutete leider nur eine Wunde dabei. Denkt daran, daß man, um in einem günstigen Augenblicke einige Blutstropfen zu sparen, später das Blut in Strömen dahinstürzen ließ. Die Intelligenz, welche eine Nation beherrscht, kann ein Unglück nicht vermeiden, das nämlich: niemanden, der ihr gleicht, zu finden, um richtig beurteilt zu werden, wenn sie der Wucht eines Ereignisses erlegen ist. Meinesgleichen sind selten, die Dummen aber immer in Mehrzahl vorhanden: alles findet durch diese beiden Sätze seine Erklärung. Wenn mein Name in Frankreich Abscheu erregt, muß man die mittelmäßigen Geister dafür verantwortlich machen, welche in allen Generationen die Masse bilden. In großen Krisen, wie ich sie habe durchmachen müssen, regieren, heißt nicht etwa Audienzen abhalten, Revuen passieren und Ordonnanzen abfertigen. Fehler hab' ich machen können, ich war nur ein Weib. Warum aber ist man nicht an einen Mann geraten, der über seinem Jahrhundert stand? Der Herzog von Alba war eine eherne Seele, Philipp der Zweite stumpfsinnig gemacht vom katholischen Glauben, Heinrich der Vierte ein kartenspielender und liederlicher Soldat und der Admiral ein systematischer Starrkopf. Ludwig der Elfte kam zu früh, Richelieu zu spät. Mag ich nun tugendhaft oder strafbar sein, mag man mir die Bartholomäusnacht zuschreiben oder nicht, ihre Last habe ich auf mich genommen. Zwischen jenen beiden großen Männern werd ich wie der sichtbare Ring einer unbekannten Kette stehen. Eines Tages werden die an Paradoxen Gefallen findenden Schriftsteller sich fragen, ob die Völker den Henkerstitel nicht manchmal an Opfer verschwendeten. Nicht das einzige Mal wird's sein, daß die Menschheit es vorzieht, lieber einen Gott zu opfern als sich selber anklagend an die Brust zu schlagen. Alle seid ihr gern bereit, um zweihundert, im richtigen Augenblicke geopferter Bauernlümmel willen Tränen zu vergießen, welche ihr den Unglücksfällen einer Generation, eines Jahrhunderts oder einer Welt verweigert. Kurz, ihr vergeßt, daß politische Freiheit, Ruhe einer Nation, die Wissenschaft selber Geschenke bedeuten, für welche das Schicksal blutige Steuern im voraus erhebt!‹
    ›Könnten die Nationen eines Tages nicht‹, rief ich mit Tränen in den Augen, ›glücklich sein zu einem wohlfeileren Preise?‹
    ›Die Wahrheiten steigen aus ihren Tiefen nur herauf, um Blutbäder zu nehmen, worinnen sie sich erfrischen. Hat sich etwa gar das Christentum, die Quintessenz aller Wahrheit, da es von Gott kommt, ohne Märtyrer durchgesetzt? Ist Blut nicht in Strömen geflossen? Wird es nicht ständig
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