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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage
Autoren: Hermann Bauer
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tun.
    »Ja. Leider ist sie in eine dumme Sache hineingeraten. Eine ehemalige Schülerin von ihr soll den Mord beim Kaffeehaus vorne an der Ecke begangen haben. Furchtbar. Frau Hinterleitner war die Vertrauensperson von dem Mädel und ist nicht gleich zur Polizei gegangen.«
    Korber atmete tief durch.
    »Diese ehemalige Schülerin hat dann noch einen Mord begangen«, fuhr Marksteiner fort. »Vielleicht haben Sie gestern darüber in der Zeitung gelesen. Das wäre natürlich nicht passiert, wenn Kollegin Hinterleitner das Mädel gleich angezeigt hätte. Die junge Dame ist inzwischen gefasst worden.«
    Korber stockte der Atem. Aber Marksteiner redete weiter, ohne ihn mit irgendeinem Wort zu erwähnen: »Kollegin Hinterleitner wird sich nun leider vor einem Gericht und der Schulbehörde für ihr Verhalten zu verantworten haben.«
    Offensichtlich hatte Maria Korbers Anteil an der Geschichte Marksteiner gegenüber verschwiegen.
    »Glauben Sie, dass sie verurteilt wird?«
    »Da fragen Sie mich zu viel, lieber Korber. Hoffen wir das Beste! Sie wollte ja auf das Mädel einwirken, dass es sich selbst stellt. Sicher hat sie nicht ahnen können, dass so schnell wieder etwas passiert. Aber für die Polizei sieht natürlich alles ganz anders aus.« Marksteiner seufzte. »Da sieht man, wie schwer unser Beruf ist, Korber. Die Schüler befassen einen bis weit über die Reifeprüfung hinaus. Mit einem Fuß steht man immer im Kriminal [26] .«
    Korber wollte etwas sagen, aber Marksteiner ließ es nicht dazu kommen. »Ich weiß, ich weiß, Sie haben sich mit der Kollegin in den ersten Tagen blendend verstanden«, winkte er ab. »Aber wie dem auch sei: Wir haben sie verloren. Denn selbst wenn sie, wie wir alle hoffen, straffrei ausgeht, wird die Sache einige Zeit dauern, und sie wird dann im Herbst ihren Neubeginn an einer anderen Schule machen müssen, das ist für alle Beteiligten besser so. Sie wissen, was das heißt, Korber?«
    Korber wusste es eben nicht.
    »Das heißt, dass wir die Stunden von Kollegin Stieglitz neu vergeben müssen. Bis wir in diesem Fall vom Stadtschulrat eine neue Lehrkraft zugeteilt bekommen, ist das Schuljahr um. Wo es stundenplantechnisch möglich ist, sollen deshalb Sie , Korber, diese Stunden übernehmen, vielleicht legen wir dazu in einer oder zwei Klassen die Gruppen zusammen. Na, was sagen Sie?«
    Korber war überhaupt nicht begeistert. Er traute sich aber nicht zu protestieren, obwohl er wusste, dass da eine Menge Arbeit auf ihn zukam. »Wenn Sie glauben, dass es das Beste ist«, meinte er nur verlegen.
    »Bravo, ich habe gewusst, dass ich mich auf Sie verlassen kann«, sagte Marksteiner und klopfte ihm auf die Schulter. »Das wird noch ein schönes Taschengeld vor dem Sommer.«
    Taschengeld hin, Taschengeld her, in jedem Fall bekam er viel zu tun. Und Maria Hinterleitner würde er wohl auch nicht mehr zu Gesicht bekommen. Was Korber blieb, war der Trost, dass sie mitgeholfen hatte, seinen Tod zu verhindern und in der Schule nichts über seine unglückliche Aktion mit Ingrid Grabner ausgeplaudert hatte.

    Trotzdem ging er missmutig in den Unterricht. Der Vormittag wollte nicht vergehen. Als er nach der Schule nach Hause kam, fühlte er sich schlapp, und sein Kopf brummte. Ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten legte er sich hin und schlief ein paar Stunden. Als er abends aus dem Bett stieg, war er wieder frischer und unternehmungslustiger.
    Er beschloss, ins Kino zu gehen. Und was konnte man sich an einem solchen Tag schon ansehen außer ›Morgen ist Dienstag‹?
    Korber bereute seine Entscheidung bald. Farblos, fade und unglaubwürdig war der Streifen. Voller Schicksalsergebenheit. Homosexualität à la Hollywood. Klischees und Vorurteile en masse. Das Ende platt und konstruiert. Weniger eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen als ein Frontalangriff auf den guten Geschmack.
    Wie der Film wohl Maria und Ingrid gefallen haben mochte? War ihnen, händchenhaltend und Popcorn essend, der künstlerische Wert überhaupt wichtig gewesen? Er würde es nie erfahren.
    Als die Lichter im kaum halb vollen Saal wieder angingen, bewegte sich eine Gestalt auffällig rasch in Richtung Ausgang, so als wolle sie nicht erkannt werden. Jetzt, da er den breitkrempigen Sombrero aufsetzte, erkannte Korber den Mann: Es war Oberinspektor Juricek. Nur zwei Reihen vor ihm war er gesessen, aber so ganz ohne Hut war er ihm nicht aufgefallen. »Herr Juricek«, rief Korber. »Herr Juricek, so warten Sie doch.« Er
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