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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage
Autoren: Hermann Bauer
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Leopold wusste den Gesichtsausdruck nach wie vor nicht zu deuten. Es war wie eine Art Lauerstellung.
    »Dann servus!« Leopold stieg in den Rettungswagen, der bereits den Motor angelassen hatte. Der Oberinspektor machte eine Geste zum Gruß. Die Augen funkelten immer noch, als der Wagen in die Nacht davonfuhr.



14

    Leopold saß neben dem Aufwachbett von Korber. Gerade, dass er nicht seine Hand hielt.
    Korber fragte: »Was … was war eigentlich mit mir los?«
    »Sie hat dieses Betäubungsmittel in deinen Whiskey hineingetan, und dann wollte sie dich umbringen.«
    »Ingrid?«
    Leopold nickte.
    »Verzeihst du mir noch einmal? Ich hätte gleich auf dich hören sollen. Aber ich war eben so … so …«
    »Launisch? Eigensinnig? Stur? Rechthaberisch?« Leopold schaute Korber streng an, aber er brachte jetzt keine Moralpredigt zustande. Er lächelte kurz und sagte: »Du solltest mir mehr vertrauen. Aber es ist ja noch einmal alles gut gegangen.«
    »Du bist also zu deinem Freund doch nicht nur wegen des Rades gefahren«, meinte Korber.
    »Oh, das Rad ist klasse, und ich habe es dem Daniel Kulmer auch zu einem günstigen Preis abgekauft. Nur holen muss ich es noch, denn ich habe keine Zeit mehr gehabt, es auf das Auto zu montieren. Nicht einmal etwas von der guten steirischen Jause, die uns seine Frau Waltraud hergerichtet hat, konnte ich mehr essen. Und das alles wegen dir. Man macht sich eben Sorgen«, sagte Leopold. »Aber du hast recht, natürlich musste ich Daniel ein bisschen wegen Fellner ausfragen, und er hat mich nicht enttäuscht. Eine lebende Chronik vom Stubenbergsee ist er, mein Freund Daniel.
    Bei einer guten Mischung [25] habe ich erfahren, dass Fellner beim ›Hirschen‹ Kellner war, fallweise auch nachts in der ›Mückenstube‹. Hat immer geschaut, dass er bei den Mädchen einen guten Eindruck hinterlässt, hat auch manch eine nach Dienstschluss abgeschleppt. Die Männer haben ihn weniger gemocht, denn die größte Freude hat er gehabt, wenn er einen vor seiner Freundin so richtig aufziehen hat können.
    Und natürlich hat er ein ausschweifendes Liebesleben gehabt. Daraus ist dann Ingrid Grabner entstanden. Ihre Mutter hieß Rosa. Rosa Grabner. Ein stilles, liebes Geschöpf. Aber halt ein Tschapperl. Die anderen haben gewusst, dass sie für Fellner nur eine Affäre sind, sie wollte ihn ganz für sich haben. Aber er hat sie einfach sitzen lassen. Daran ist sie dann irgendwie zerbrochen.«
    »Fellner ist nach Wien abgehauen?«, fragte Korber.
    »Du sagst es.«
    »Und Ingrid ist von ihrer Mutter ganz allein aufgezogen worden?«
    »Nicht ganz, dazu sind viele Familien hier einfach noch immer zu groß«, erklärte Leopold. »Sie hat im Elternhaus gewohnt, bei ihrem Bruder Jakob und seiner Frau Klara, die den elterlichen Hof damals übernommen haben. Rosa ist in die Kleiderfabrik arbeiten gegangen. Ihr Auskommen hat sie gehabt. Mit dem Fellner wollte sie nichts mehr zu tun haben, der war für sie gestorben. Ich weiß gar nicht, ob sie jemals einen Groschen Geld von ihm gesehen hat. Vergessen hat sie halt das Ganze nicht können, am Gemüt hat sie’s gepackt und an den Nerven. Und eines Tages …«

    »Ja?« Korber wusste, was jetzt kommen würde. Er kannte ja die Eckpfeiler der Geschichte. Trotzdem stieg sein Interesse merklich.
    »Aufgehängt hat sie sich, während ihre Tochter Ingrid draußen mit anderen Kindern gespielt hat. Das Mädel hat sie dann gefunden. Furchtbar.«
    »Einfach so hat sie sich aufgehängt?«
    »Sie war nicht gut beisammen, ist nur mehr zur Arbeit aus dem Haus gegangen. Still ist sie geworden, in sich zurückgezogen. Du weißt ja, wenn dann so etwas passiert, sagt man immer, man hat in den Menschen nicht hineinschauen können.«
    Korber schüttelte den Kopf. »Die arme Ingrid«, seufzte er.
    »Sie war damals sehr jung und ging noch nicht zur Schule«, sagte Leopold. »Ihr Bruder Jakob hat sie dann adoptiert und weiter für sie gesorgt. Daniel und ich sind sogar dorthin gefahren, es war nicht allzu weit weg. Sie hat keine schöne Jugend gehabt, das schwöre ich dir.«
    Korber richtete sich jetzt neugierig im Bett auf. Leopold begann, ihm auch diesen Teil der Geschichte zu erzählen: »Das Grabnersche Anwesen liegt zwar nur wenige Minuten außerhalb der Ortschaft, aber es ist eine völlig andere Welt, fernab vom geschäftigen Treiben rund um den See. Man sieht vereinzelt Häuser auf den Anhöhen, und auf einer Kuppe steht das Nachbarhaus, sonst nichts. Das Einzige, was man hört, ist
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