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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage
Autoren: Hermann Bauer
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ansehen müssen, wie dieser unsympathische Kerl verendete.
    Aber jetzt? Jetzt musste sie wohl oder übel Hand anlegen. Und davor hatte sie Skrupel.
    Ingrid Grabner überlegte kurz. Konnte sie Thomas Korber leben lassen? Nein. Er hatte das Foto von ihrem Vater gesehen. Er wusste Bescheid.
    Aber was noch viel schlimmer wog: Er wollte ihr Maria wegnehmen. Maria, den einzigen Menschen, der sie verstand. Maria, die sie liebte.
    Sie hatte ihn hergelockt, auf eine ganz einfache Art, indem sie ihm ihre Telefonnummer und Adresse aufgeschrieben hatte. Sie hatte gewusst, dass er kommen würde. Reden hatte sie mit ihm wollen, über Maria und anderes, sehen, was für ein Typ Mensch er war. Das hätte sie sich sparen können. Er war wie alle anderen Männer auch. Er trank gerne und kam sich dann unwiderstehlich vor. Sie hatte gleich die Alkoholfahne aus seinem Mund gerochen. Immerhin waren seine Berührungen nicht so grausig gewesen wie die von Eduard Seidl, sondern beinahe angenehm. Und bei dem Kuss war ihr sogar kurz ein wohliger Schauer über den Rücken gelaufen. Dennoch passte er genau in das Bild, das sie von Männern hatte: Sex, Gewalt, Rücksichtslosigkeit.
    Verführen hatte er sie wollen, während er ihr erzählte, wie sehr er Maria liebte. Nein, er verdiente Maria nicht. Das Einzige, was er verdiente, war der Tod.
    Aber wie sollte sie es anstellen? Der Kopfpolster! Sie musste nur den Kopfpolster nehmen und ihn damit ersticken. Einfach das Kissen auf sein Gesicht pressen und warten, bis er nicht mehr atmete. Und wenn sie zu früh losließ? Dann musste sie eben noch einmal drücken, bis er endlich tot war. Es blieb ihr nichts anderes übrig als zuzusehen, wie er starb.
    Ingrid streichelte über den Polster in ihrem Bett. Da erinnerte sie sich an etwas Schreckliches: Sie musste ja den Leichnam aus der Wohnung entfernen. Thomas Korber würde morgen nicht zur Arbeit erscheinen. Man würde sich fragen, warum. Man würde zu suchen beginnen. Sicher, Maria würde sie nicht verraten, und von vorneherein würde sie auch nicht unter Verdacht stehen – außer Korber hatte jemandem gesagt, dass er sie aufsuchen würde. Wie auch immer, eine Leiche bei sich zu Hause konnte sich Ingrid Grabner nicht leisten.
    Allein war sie zu schwach, um den toten Körper wegzutransportieren, so viel stand fest. Sie brauchte Hilfe. Sie musste Maria anrufen.
    Zitternd wählte sie die Nummer. Niemand hob ab.
    Verzweifelt warf sie sich aufs Bett und heulte. Aber noch ehe sie sich im Klaren war, was sie jetzt tun sollte, läutete ihr Handy. Es war Maria.
    »Hallo Maria.«
    »Hallo. Entschuldige, ich habe dich nicht gleich gehört. Was gibt’s? Wie geht es dir?«
    »Im Augenblick überhaupt nicht gut. Hör zu, Maria, du musst mir helfen.«
    »Du klingst auch überhaupt nicht gut. Was ist jetzt schon wieder?«
    »Dein Freund Thomas war hier.«
    »Thomas Korber? Mein neuer Kollege? Wie kommt denn der zu dir?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe ihm gestern meine Telefonnummer und Adresse gegeben. Ich wollte nur wissen, was das für ein Typ ist, mit dem du fortgehst.«
    »Ingrid, das hättest du nicht tun sollen.«
    »Mir war aber danach. Und weißt du, was er getan hat? Er hat mich begrapscht, Maria, er wollte mit mir ins Bett gehen, dein angeblich so scheuer, zuvorkommender Lehrer. Ich habe es gerade noch verhindern können.«
    Pause in der Leitung. Dann Maria, besorgt: »Was hast du mit ihm gemacht?«
    »Er hat außerdem das Foto von meinem Vater entdeckt, und ich glaube auch die Regenjacke.«
    »Was hast du mit ihm gemacht?« Marias Stimme wirkte jetzt noch angespannter.
    »Ich habe ihm ein Glas Whiskey gegeben, mit … na ja, du weißt schon. Bitte versteh mich, ich habe keine andere Wahl gehabt. Jetzt liegt er da und … es ist so furchtbar, Maria. Du musst kommen. Du musst mir helfen, ihn wegzuschaffen, wenn er tot ist.«
    Maria atmete hörbar auf. »Er ist also noch nicht tot?«

    »Nein. Ich … es … du musst mir helfen. Ich brauche dich. Ich war zu dumm, eine blöde Regenjacke verschwinden zu lassen, wie soll ich das jetzt mit einem Leichnam tun? Mir geht es so dreckig, ich zittere am ganzen Körper. Bitte komm. Ich werde in der Zwischenzeit versuchen, ihn mit einem Kopfpolster …«
    Maria schrie: »Gar nichts wirst du!« Dann leiser, aber bestimmt: »Du lässt Thomas einfach so liegen, bis ich komme. Ja bist du denn wahnsinnig? Du kannst doch nicht jeden Tag einen anderen Menschen umbringen. Warum bist du nicht schon längst zur Polizei gegangen, wie
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