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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage
Autoren: Hermann Bauer
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sie im Hinausgehen.

     
    *

     
    Als Leopold eintraf – gehetzt, in Auflösung begriffen, er hatte noch einen Parkplatz suchen müssen –, befand sich die Polizei gerade im Aufbruch. Thomas Korber wurde in einen Krankenwagen verlegt. Oberinspektor Juricek stand vor dem Haus, wie er ihn bisher nie gesehen hatte: schwarzer Mantel, dunkler Anzug, weißes Hemd, rote Krawatte. Die Reste der slawischen Seele hingen noch an ihm. Nur der breitkrempige Hut war derselbe wie immer.
    »Servus Leopold«, grüßte er. »Na, du siehst ja aus, als wärst du gerade der Tortur entfleucht. Aber beruhige dich, dein Freund ist am Leben. Er kommt nur kurz zur Kontrolle ins Krankenhaus. Wenn er ohne Beschwerden aufwacht, darf er, denke ich, noch heute wieder nach Hause.«
    »Gott sei Dank«, keuchte Leopold.
    »Jetzt musst du mir nur noch verraten, wie du auf Ingrid Grabner als Täterin gekommen bist. Sie war’s, sie hat alles gestanden. Wir sind erst gestern auf sie aufmerksam geworden, und ihren Namen haben wir erst heute Morgen von Maria Hinterleitner erfahren.«
    »Da war natürlich viel Glück dabei«, meinte Leopold verlegen. Er beschloss, Juricek endgültig nichts von der Kinokarte zu sagen und davon, dass er von der Möglichkeit ausgegangen war, Maria und Ingrid hätten sich den Film ›Morgen ist Dienstag‹ angesehen.
    »Nur keine falsche Bescheidenheit«, lächelte Juricek. Er machte dabei den Eindruck, als läge er irgendwie auf der Lauer.
    »Na ja, ich wusste, dass Fellner früher in Stubenberg gearbeitet hat und dass einige Personen, die vor seinem Tod im Kaffeehaus waren, aus dieser Gegend sind. Da ist mir der Gedanke gekommen, meinen Freund Daniel Kulmer zu Rate zu ziehen, der über die Dinge, die in seinem Bezirk geschehen, Bescheid weiß wie kein anderer. Der Name Ingrid Grabner ist schnell gefallen, und Ingrids Adoptiveltern haben dann alles bestätigt: dass Fellner Ingrids Vater war, die unglückliche Liebe und Enttäuschung von Ingrids Mutter bis hin zum Selbstmord. Man brauchte nur noch eins und eins zusammenzuzählen.«

    »So so.« Juricek hatte immer noch eine gewisse Heiterkeit in seinem Gesichtsausdruck.
    Nach einer kleinen Pause fragte Leopold: »Und ihr? Wieso wart ihr so schnell am Tatort?«
    »Auch viel Glück, lieber Leopold. Du hast mir ja erzählt, dass du in die Steiermark fahren und Korber auf die Billardrunde ansetzen würdest. Einerseits hatte ich – so wie du – ein wenig Sorge um deinen Freund, andererseits dachte ich, dass er uns vielleicht auf eine Spur bringen könnte, da in dieser Runde ja alle Hauptverdächtigen versammelt waren. Also habe ich einen Beamten zum Heurigen geschickt und ihn gebeten, Korber unauffällig zu beschatten. Korber hat uns dann zu Ingrid Grabner geführt. Das wäre noch nicht weiter verdächtig gewesen, aber Bollek war durch deinen Anruf schon vorgewarnt, und als sich unser Mann bei ihm meldete, kam die Sache ins Laufen: Du hattest mir ja zum Glück eine SMS geschickt, und so gab ich das ›Okay‹, um Korber aus seiner brenzligen Situation zu befreien. Allerdings: Viel später hätten wir nicht kommen dürfen.«
    »Danke«, sagte Leopold. Er schaute sich um. Hier also hatte alles geendet, in einer kleinen Seitengasse, schnell, überraschend und ohne ihn. Er spürte die immense Spannung, die sich in ihm aufgestaut hatte. Es würde noch eine Zeit lang dauern, bis er sie wieder los war.
    »Wenn du willst, kannst du mit deinem Freund mitfahren und warten, bis er aufwacht«, schlug Juricek vor.
    Leopold nickte. Er würde geduldig neben Thomas Korber sitzen, bis sich seine Lebensgeister wieder regten, würde ihm alles erzählen und erklären, würde ernsthaft mit ihm reden. Es ging nicht an, dass er sich aus einer momentanen Laune heraus in Gefahr brachte. Es musste ihm eine Lehre sein.
    Leopold sah auf das im ohnmächtigen Schlummer daliegende Gesicht. Wie ein Kind, sinnierte er. Wie ein Kind, das ungezogen war und dem man soeben noch am liebsten eine Tracht Prügel verabreicht hätte, dem der Schlaf nun aber die reine Unschuld aufs Antlitz zauberte. Und ein Kind war er immer noch, dieser Lehrer, der andere Kinder unterrichtete, zumindest, was Frauen betraf.
    »Musst du Thomas der Presse gegenüber erwähnen?«, fragte Leopold noch.
    »Mal sehen, ob wir ihn da heraushalten können«, meinte Juricek.
    »Eigentlich könntest du jetzt, wo wir den Fall gelöst haben, ruhig einmal einen Sprung zum Kaffeehaus machen.«
    »Vielleicht«, sagte Juricek. Seine Augen funkelten.
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