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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage
Autoren: Hermann Bauer
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das Muhen von Kühen. Muss für einen jungen Menschen wie Ingrid total deprimierend gewesen sein.
    Jakob und seine Frau Klara schauen so aus, als ob sie ihr ganzes Leben nicht aus dieser Welt fortgekommen wären. Die sind ernst, todernst, ich glaube, zum Lachen gehen sie in den Keller. Für die sind wir windige Stadtmenschen, die nur das Vergnügen suchen und zu ihnen kommen, um ihnen etwas wegzunehmen.«
    »Im Fall Fellner hatten sie ja so unrecht nicht«, bemerkte Korber.
    »Ja, Thomas. Sie haben auch nie Geld von Fellner gesehen und nie eines verlangt. Das ist die eine Seite. Aber wie ist Ingrid wirklich aufgewachsen? Jakob, ihr Onkel, ist jähzornig, der hat mir gleich eine Ohrfeige angedroht. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Ingrid hat einstecken müssen. Klara, ihre Tante, scheint außer Arbeit nichts zu kennen. Wie oft hat Ingrid am Hof wohl mithelfen müssen ohne ein Wort des Dankes, egal, was sie selbst noch für die Schule zu tun hatte.«
    »Immerhin war sie ja im Gymnasium.«
    »Ja, das war dann wahrscheinlich auch eine willkommene Abwechslung, die einzige Möglichkeit, ein wenig heraus aus dieser Einöde zu kommen. Und Maria war der Mensch, der sie verstand, zu dem sie im Lauf der Zeit eine starke emotionale Bindung entwickelte.«
    »Maria hat also von dem allen gewusst.«
    Leopold nickte. »Sie hat es nicht leicht gehabt. Du weißt ja, der Gewissenskonflikt, ob man nun zur Polizei gehen soll oder nicht. Offenbar hat sie versucht, auf Ingrid einzuwirken, sich zu stellen, aber es ist ihr nicht gelungen. Sie wird sich in jedem Fall dafür zu verantworten haben. Dein Glück übrigens, dass Ingrid zu feige war, dich allein ins Jenseits zu befördern. Sie hat Maria angerufen, damit sie mit ihr die Tat vollendet, das hat dir letztendlich das Leben gerettet. Als Maria kam, war auch die Polizei schon da.«
    Korber schluckte. Erst jetzt erfuhr er, wie knapp es gewesen war. Leopold sah die Verlegenheit in seinen Augen. Beide schwiegen für eine kurze Weile. »Jetzt sag mir nur noch, wie du auf Ingrid gekommen bist«, verlangte Korber schließlich.
    »Zuerst waren es kleine Dinge, die man leicht vergisst. Ingrid hat etwa am Donnerstag vor dem Turnierfinale ganz kurz mit Fellner gesprochen, als sie ins Kaffeehaus kam. Von dir habe ich dann erfahren, dass es Ingrids Vorschlag gewesen war, mit dir und Maria ins ›Heller‹ zu gehen, wahrscheinlich, weil sie von Maria, die ja zufällig bei Olga Fellner wohnte, von dem Turnier erfahren hatte. Das ist mir alles später wieder eingefallen, als ich beobachtete, wie Ingrid und Maria miteinander schnuckelten und ich mir die beiden Damen gut in einem Film wie ›Morgen ist Dienstag‹ vorstellen konnte. Leider ist in keiner Beschreibung der Kinodamen Ingrids knallrote Mütze aufgetaucht, das und die farbenlosen Beschreibungen haben mich wieder verwirrt. Aber eine Tatsache blieb bestehen: Fellner hatte am Stubenbergsee gearbeitet, und dort liefen die Fäden von drei Personen zusammen, die in der Mordnacht allesamt im Kaffeehaus gewesen sind: Mario Mitterhofer, Maria Hinterleitner und Ingrid Grabner. Da musste ich einfach meinen Freund Daniel zu Rate ziehen.«
    Man sah Korber an, dass er noch nicht alles richtig verstand und die ganze Geschichte erst einmal verdauen musste. Mit großen, fragenden Augen schaute er Leopold an, der aufgestanden war und sich anschickte, aus dem Zimmer zu gehen.
    »Was tust du?«
    »Nachschauen, ob ich dich schon nach Hause mitnehmen kann.«

     
    *

     
    Am Montag erschien Thomas Korber pünktlich und in beinahe bestem Zustand im Gymnasium. Pünktlich hieß in diesem Falle etwas nach acht Uhr, da sein Unterricht erst zur zweiten Stunde begann. Als er das Lehrerzimmer betreten wollte, hörte er hinter sich die näselnde Stimme der Schulsekretärin Elvira Pohanka und blickte gleich darauf in ihr säuerliches Lächeln: »Da sind Sie ja endlich, Herr Professor. Ich suche Sie schon die ganze Zeit. Sie möchten bitte sofort zu Direktor Marksteiner kommen.«

    Was ist denn nun wieder los?, dachte Korber. Ihn befiel dabei eine leise Ahnung, worum es sich handeln könnte.

    Marksteiner ging unruhig in seinem Direktionszimmer auf und ab, als Frau Pohanka diskret die Tür öffnete und Korber eintreten ließ. »Ah, Korber«, sagte er. »Schön, Sie zu sehen. Ich habe leider schlechte Neuigkeiten. Kollegin Hinterleitner war heute früh bei mir und hat um ihre einstweilige Beurlaubung gebeten.«
    »Ach so?« Korber versuchte, möglichst unwissend zu
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