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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton
Autoren: Daniel Defoe
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fünfhundertvierzig Pfund und mit der nächsten
oder übernächsten Post noch einmal dreihundert Pfund, was
alles zusammen tausend Pfund machte, und er schrieb ihr, er
werde ihr genügend senden, damit sie ihren Laden aufgeben könne, und wies sie an, ein Haus zu nehmen, wie oben
erwähnt.
Nun wartete er, bis er auf alle drei Briefe Antwort bekam; sie
schrieb, sie habe das Geld erhalten und – was ich nicht erwartet
hatte – keinen ihrer Bekannten wissen lassen, daß sie auch nur
einen Shilling von irgend jemand bekommen habe und daß er
am Leben sei, und wolle es nicht tun, bis sie wieder von ihm
gehört habe.
Als er mir diesen Brief zeigte, sagte ich: „Tatsächlich, Will iam, dieser Frau kann man sein Leben oder sonst etwas
anvertrauen. Schicke ihr den Rest der fünftausend Pfund, und
ich werde mich mit dir nach England ins Haus dieser Frau
wagen, wann immer du willst.“
Mit einem Wort, wir sandten ihr fünftausend Pfund in guten
Wechseln, und sie erhielt sie sehr pünktlich. Kurz darauf teilte
sie ihrem Bruder mit, sie habe ihrem Onkel erzählt, sie sei
kränklich und könne den Laden nicht mehr weiterführen und
habe deshalb, ungefähr vier Meilen von London entfernt, ein
großes Haus erworben und wolle Zimmer vermieten, um ihren
Unterhalt zu bestreiten; kurz, sie deutete an, sie habe verstanden, daß er beabsichtigte, inkognito herüberzukommen, und
versicherte ihm, er werde dort so zurückgezogen leben, wie er
nur wünsche.
Dies öffnete uns genau die Tür, von der wir geglaubt hatten,
sie sei uns für dieses Leben verschlossen, und, mit einem Wort,
wir entschieden uns, es zu wagen, uns jedoch völlig verborgen
zu halten, sowohl was unseren Namen als auch alle übrigen
Umstände betraf; demgemäß schrieb William seiner Schwester,
er schätze ihre vorsichtigen Maßnahmen sehr und sie habe
richtig geraten, daß er zurückgezogen leben wolle, und
verpflichtete sie, nicht aufwendiger, sondern sehr zurückha ltend zu leben, bis sie ihn vielleicht wiedersehe.
Er wollte diesen Brief gerade absenden. „Aber William“,
sagte ich, „du wirst ihr doch keinen leeren Brief schicken. Schreib ihr, ein Freund von dir, der ebenso zurückgezogen leben müsse wie du, wird mit dir kommen, und dann schicke
ich ihr noch einmal fünftausend Pfund.“
Kurz, auf diese Weise machten wir die Familie dieser armen
Frau reich. Als es aber soweit war, fe hlte mir der Mut zu der
Fahrt, und William wollte sich ohne mich nicht fortrühren; so
blieben wir danach noch zwei Jahre und überlegten, was wir
tun sollten.
Der Leser mag denken, ich sei mit meinem auf unrechte
Weise erworbenem Gut sehr verschwenderisch umgegangen,
eine Fremde mit meiner Freigebigkeit zu überschütten und ihr,
die nichts hatte tun können, um irgendeine Gabe von mir zu
verdienen, ja mich nicht einmal kannte, ein so prinzliches
Geschenk zu machen; aber man darf meine damalige Lage
nicht außer acht lassen, denn obgleich ich Geld im Überfluß
besaß, mangelte es mir doch gänzlich an einem Freund in der
Welt, der mir auch nur im mindesten verpflichtet gewesen wäre
oder mir geholfen hätte, und ich kannte auch niemanden, bei
dem ich das, was ich besaß, hinterlegen oder dem ich es
anvertrauen konnte, solange ich am Leben war, und dem ich es
vermachen konnte, wenn ich starb.
Als ich über die Art und Weise, wie ich meinen Besitz
erworben hatte, nachdachte, war ich manchmal der Meinung,
ich sollte ihn ganz und gar für wohltätige Zwecke verwenden,
um eine Schuld bei der Menschheit zu begleichen, obwohl ich
nicht römisch-katholisch und durchaus nicht der Ansicht war,
damit könnte ich mir irgendwelche Seelenruhe erkaufen; ich
dachte jedoch, da ich ihn mir durch allgemeine Plünderung, die
ich nicht wiedergutmachen konnte, angeeignet hatte, gehörte er
der Allgemeinheit und ich müßte ihn zum allgemeinen Wohl
verteilen. Ich wußte aber noch immer nicht, wie, wo und durch
wen ich diese Wohltätigkeit ausüben sollte, da ich nicht wagte,
in mein Heimatland zurückzukehren, aus Furcht, daß vielleicht
einige meiner Kameraden, die es wieder nach Hause verschlagen hatte, mich dort sehen und aufspüren und mich allein zu
dem Zweck, sich mein Geld anzueignen oder für sich selbst
eine Begnadigung zu erkaufen, verraten und einem vorzeitigen
Ende zuführen könnten.
Da ich also keinen einzigen Freund hatte, verfiel ich auf
Williams Schwester. Ihre gütige Handlungsweise gegenüber
ihrem Bruder, den sie in Not glaubte, deutete auf eine großherzige Veranlagung und eine
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