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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab
Autoren: Stephen Booth
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geschrieben, sondern nur gesagt, dass ich einer der Jungs bin, die Danny McTeague damals gesehen haben, als er von dem Wrack weggelaufen ist.«
    Cooper verzog das Gesicht, als er plötzlich wieder diesen vertrauten Geschmack im Mund hatte - einen bitteren, metallischen Geschmack, eine Bitterkeit, die ihm die Kehle zuschnürte. Alison Morrissey war in Hollow Shaw gewesen, nachdem er am Dienstag Malkins Namen erwähnt hatte, und von diesem Zeitpunkt an hatte sie alles gewusst. Und am nächsten Morgen hatte sie bereits im Flugzeug nach Toronto gesessen. War sie wirklich so aufrichtig gewesen, wie sie behauptet hatte? Hatte sie nur an ihre Obsession gedacht, sogar in dem Augenblick, als sie ihn vor dem Cavendish Hotel geküsst hatte? Alison Morrissey hatte ihm nicht gesagt, dass es ein Abschiedskuss war. Aber Diane Fry hatte zugesehen, und sie hatte es gewusst. Was Morrissey betraf, hatte sie die ganze Zeit über Recht gehabt.
    »Ich hab all das nur für Florence getan, wissen Sie«, sagte Malkin. »Sie war der einzige echte Schatz, den ich im Leben hatte, nicht das Geld. Ich hab die Schuld so lange mit mir herumgetragen, dass ich daran gewöhnt war, niemandem zu trauen. Jemand könnte ja hinter mein Geheimnis kommen. Florence war der einzige Mensch, bei dem ich diese Bedenken nicht hatte. Ich hab ihr vertraut, ich hab sie geliebt, und ich hab alles für sie getan, was ich konnte.«
    Ein Streifenpolizist öffnete die Tür des Einsatzwagens, und Malkin zog den Kopf ein, um in den Fond zu steigen. Doch zuvor wandte er sich noch einmal nach Cooper um.
    »Es ist ganz wichtig, jemanden zu haben, dem man vertrauen kann«, erklärte er. »Auch wenn derjenige ab und zu einen Fehler macht, weiß man doch, dass er bei allem, was er tut, aufrichtig ist. Solche Menschen findet man nicht oft. Wenn Sie schlau sind, mein Junge, suchen Sie sich so jemanden und halten ihn so gut es geht fest.«
    Cooper starrte Malkin wortlos an. Inzwischen fing es richtig zu regnen an. Cooper war froh, dass er den Himmel nicht sehen konnte, der hinter grauen Wolken verborgen lag. Froh, dass er die vorwurfsvollen Gesichter der Schafe nicht sah. Und ganz besonders froh war er, dass er die hoch aufragende Zunge aus schwarzem Stein nicht sehen konnte, mit ihrer reptilienartigen Biegung an der Spitze, ihren Graten und Felsspalten. Der Irontongue hatte zu viele Leben zerstört. Cooper hätte seinen ungerührten Hohn jetzt nicht ertragen.
    »Noch was«, sagte Malkin. »Vielleicht möchten Sie das Messer hier haben.«
    Er zog eine Klinge aus der Tasche und hielt sie Cooper hin. Sie war sehr scharf und voller Blutflecken.
    »Keine Bange«, sagte Malkin. »Das ist nur Schafsblut. Mit dem Messer hab ich tote Lämmer abgezogen. Ziemlich eklige Arbeit, aber irgendeiner muss sie ja machen. Ich kann's nicht mit ansehen, wenn die Waisen ohne Mutter bleiben.«
    Nachdem Malkin weggebracht worden war, blieb Cooper noch eine Weile stehen und lauschte dem Regen, der durch den Nebel auf das Torfmoor tröpfelte. Das Geräusch hatte etwas Beruhigendes. Es war ein ganz und gar natürlicher Rhythmus, eine Versicherung, dass die Welt rings um ihn herum wie gewohnt weiterging, ganz egal, was in seinem eigenen Leben passierte. Die Feuchtigkeit kondensierte in der kühlen Luft, wie sie es immer schon getan hatte, und die Regentropfen prasselten auf den nassen Boden, wie sie es auch tun würden, selbst wenn er hier und jetzt aufhören würde zu existieren.
    Letztlich bestand das Geheimnis, sein Leben zu leben, darin, von welchem Standpunkt aus man es betrachtete. In Augenblicken wie diesen kamen ihm alle seine Sorgen trivial vor. In Edendale warteten alle möglichen Probleme auf ihn. Er musste sich Aufgaben und Kränkungen stellen, komplexe Sachverhalte erklären und immer wieder enorme Anstrengungen unternehmen, um auch nur ein Mindestmaß an Versöhnung und Vergebung zu erlangen. Aber solange er hier im Moor stehen bleiben und dem Regen lauschen konnte, waren diese Probleme und Ängste so klein, dass sie leicht zu überwinden waren, so unbedeutend, dass sie einfach vom Regen davongespült wurden. Hier draußen war das Leben einfach und schmerzlos.
    Cooper nickte. Dann stellte er den Kragen hoch und kehrte der Hollow Shaw Farm den Rücken zu. Als er zurück zu seinem Wagen ging, wurde das Tröpfeln des Regens auf dem Torfmoor hinter ihm immer leiser.
     
    Das Zitat aus »Won't you let me take you on a sea cruise?«, einem Rock-'n'-Roll-Klassiker von Frankie Ford, wurde mit Erlaubnis
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