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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab
Autoren: Stephen Booth
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gerufen, aber so leicht haben wir uns nicht täuschen lassen. Schließlich haben wir ja gehört, wie sie in ihrer eigenen Sprache gesprochen haben. Wir wussten ja, dass es Deutsche waren.«
    Cooper schloss die Augen. »Es waren Polen«, wiederholte er.
    Aber Malkin hörte ihn überhaupt nicht. Er war weit weg, durchlebte noch einmal jenen Augenblick, der sich seinem Gedächtnis unauslöschlich eingeprägt hatte. Siebenundfünfzig Jahre hatten seiner Erinnerung nicht das Geringste anhaben können. Mittlerweile klang er, als sei es ihm völlig egal, ob Cooper zuhörte oder nicht.
    »Dann hat Ted gesagt, der Flieger muss ganz nah am Beckenrand sein. Er hat gesagt, die Dammmauer ist hinter ihm, weil wir das Echo hören, wenn er ruft. Also haben wir dem Licht noch ein bisschen länger zugesehen. Mir ist im ganzen Leben nicht mehr so kalt gewesen, was aber zum Teil auch an der Angst lag. Ich hab gewusst, dass wir die Taschen nicht mehr tragen können, wenn wir noch länger warten. Ich hab mich umgeschaut, ob wir sie irgendwo verstecken können, aber da war nichts in der Nähe. Überall hat Schnee gelegen. Und dann hat Ted gesagt: >Er ist auf dem Eis.<«
    »Das Reservoir war also zugefroren?«, fragte Cooper.
    »Auf der Seite da drüben, ja. Der Flieger ist über das Eis gegangen, immer an der Mauer vom Damm entlang.« Malkin stockte. »Ich hab Angst gehabt wegen dem Geld. Der Mann auf dem Eis war das Einzige zwischen uns und dem Geld. Er hätte gemerkt, dass es fehlt. Ich wollte das Geld lieber wieder zurückbringen, aber Ted hat geschimpft, ich soll mich nicht so dumm anstellen. Ich hab gesagt, wenn der Flieger bis zur Wasserwirtschaftsamtsstraße kommt, dann schafft er es auch bis zu der Telefonzelle eine halbe Meile weiter. Aber Ted hat gesagt: >Er kommt aber nicht bis zur Straße.«<
    Cooper wollte etwas fragen, besann sich aber eines Besseren. Er durfte Malkin jetzt nicht unterbrechen, da sich die Geschichte langsam ihrem Ende näherte. Cooper war sich sicher, dass sich der alte Mann noch an jedes Wort erinnerte, das damals zwischen den beiden Brüdern gefallen war, während sie den Hilferufen lauschten.
    »Und dann haben wir es beide gehört... das Krachen«, sagte Malkin. »Die Nachtluft hat es bis zu uns herübergetragen, und es war schrecklich laut. Als würden zwei Metallstücke aneinander schlagen, und dazu hat es leise geknirscht, als wäre etwas zerbrochen. Dann ist das Licht verschwunden. In der einen Sekunde war es noch da, dann war es weg. Man hat keinen Ruf gehört, keinen Schrei, nicht mal ein Platschen. Vielleicht haben die Flammen vom Flugzeug auf einem Stück Eis aufgeblitzt, das sich schräg gestellt hat. Aber dann ist die Eisscholle zurückgerutscht, und er war weg.«
    Erschaudernd stellte Cooper sich den Schock vor, wenn das Eiswasser über dem Kopf zusammenschlug. McTeague musste seine schweren Fliegerstiefel und einen Fallschirmgurt getragen haben. Gefangen unter einer dicken Eisschicht, musste er innerhalb von Sekunden tot gewesen sein.
    Der Irontongue war inzwischen im Nebel verschwunden, der rasch über das Moor heranzog. Cooper spürte die Feuchtigkeit bereits im Nacken.
    »Ich hab nicht begriffen, was da passiert ist«, sagte Malkin. »Erst später. Am nächsten Morgen sind wir rauf zum Reservoir und haben nachgeschaut. Erst da hab ich gesehen, dass es nur auf der Ostseite dick genug zugefroren war, dass man drauf laufen konnte. Die Eisfläche war verschneit, hat also im Dunkeln genau wie der andere Boden ausgesehen. Es ist nie einfach, übers Moor zu gehen, geschweige denn im Schnee und im Dunkeln. Überall sind kleine Gräben, über die man muss.«
    »Als der Flieger das Reservoir erreicht hat, muss er schon ziemlich erschöpft gewesen sein«, sagte Cooper.
    »Ja. Er konnte es nicht ahnen. Aber auf der anderen Seite, beim Wehr, hat sich das Wasser noch bewegt. Das Eis war dünn. Nicht dick genug, um einen Menschen zu tragen. Am Morgen war höchstens noch ein feiner Riss in der Oberfläche zu sehen, wo er eingebrochen war. Der Bursche ist über Deutschland gewesen, ist zurückgekommen und hatte gerade einen Flugzeugabsturz überlebt. Und dann hat er sein Leben in die Hände von zwei Kindern gelegt. Und wir haben ihn krepieren lassen.«
    Cooper wusste, dass seine Vorstellungskraft nicht ausreichte, um sich auszumalen, was Malkin durchmachte. Der alte Mann hatte den Vorfall wieder und wieder durchlebt.
    »Ich dachte immer, er kommt zurück und verfolgt uns hier draußen im Moor«, sagte
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