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Kalter Zwilling

Kalter Zwilling

Titel: Kalter Zwilling
Autoren: Catherine Shepherd
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Fleisch regelrecht zu Brei geschlagen, aber das könnt Ihr ja selbst sehen.«
    Bastian stöhnte innerlich auf. Wie er bereits vermutet hatte, war Jonata wenig hilfreich. Ihre Beschreibung passte auf jeden Zonser Bürger, der einen schwarzen Umhang besaß. Er ließ die verbitterte Alte mit einem freundlichen Nicken stehen und verließ unverrichteter Dinge diesen schaurigen Ort.
     
     
    ...
     
     
    Pfarrer Johannes nahm seinen Platz im Beichtstuhl ein. Seine Leibesfülle war in den letzten Monaten so üppig geworden, dass die Stunden in dem engen Kasten mittlerweile eine Belastung für ihn waren. Schmerzhaft drückte das dicke alte Holz in seine Seiten. Heute würde wieder ein anstrengender Tag werden. Mehrere Gläubige hatten sich zur Beichte angemeldet und Johannes war zu pflichtbewusst, als dass er sein körperliches Wohlbefinden über seine geistlichen Pflichten stellte. Die erste Gläubige begann sogleich, atemlos ihre Sünden aufzuzählen.
    Pfarrer Johannes mahnte sich selbst zur Geduld. Diese Frau war für ihn so lästig wie eine Fliege. Es fiel ihm schwer, ihr zuzuhören. Trotz seiner Gutmütigkeit hatte er Schwierigkeiten, ihr Liebe und Zuneigung entgegenzubringen. Er fragte sich, warum Gott es ihm so schwer machte. Sie zählte ihm stundenlang Sünden auf, die eigentlich keine waren. Es kam ihm vor, als ob es ihr nicht möglich wäre, einfach einmal zu schweigen. Als sie ihm erzählte, wie ihr Ehemann ihr aus dem Weg ging, nachdem sie ihm wiederholt eine ihrer Geschichten aufzwängen wollte, musste Johannes sich ein Lachen verkneifen. Er konnte ihn nur allzu gut verstehen.
    Eine Beichte glich der anderen und nach über zwei Stunden fiel es Pfarrer Johannes immer schwerer, in dem engen Beichtstuhl zu sitzen. Es zwickte und zwackte ihn am ganzen Körper und sein Rücken begann zu schmerzen, als Gilig zu ihm in den Beichtstuhl stieg. Was wollte der Bucklige ihm erzählen? Johannes vergaß für einen Moment sein Unwohlsein und hörte aufmerksam zu.
    Stotternd und in gebrochenem Deutsch begann Gilig zu sprechen: »Er hat so schönes Haar. Ich mag ihn sehr.«
    Johannes hielt seinen Kopf dichter an das Beichtgitter. Seine Augen suchten Gilig im Dunkeln. Er sah, wie sich der Bucklige versonnen mit der rechten Hand über die Brust strich.
    »Wer hat schönes Haar, Gilig? Von wem sprecht Ihr?«
    »Junge, der aussieht wie anderer Junge. Hat so schönes braunes Haar. Gilig möchte ihn anfassen.«
    Johannes traute seinen Ohren nicht. Dieser Bucklige begehrte offenbar junge Knaben. Er musste unbedingt herausfinden, auf wen Gilig es abgesehen hatte, bevor etwas Schlimmes passierte.
    »Gilig, erzählt mir doch genau, welchen Jungen Ihr meint?«
    Gilig stotterte: »Ich kenne seinen Namen nicht.«
    Johannes fasste nach: «Ihr müsst mir seinen Namen nennen, Gilig. Und Ihr müsst mir versprechen, dass Ihr diesen Jungen meidet. Sonst werdet Ihr in der Hölle landen.«
    Gilig erstarrte bei den Worten von Pfarrer Johannes und brabbelte etwas Unverständliches vor sich hin. Noch bevor Johannes die Beichte beenden konnte, stand er auf und rannte aus der Kirche.
    Pfarrer Johannes erhob sich und starrte Gilig hinterher. Eine düstere Vorahnung beschlich ihn. Gilig war von jeher ein schwieriger Fall gewesen. Als Kind wurde er wegen seines Buckels ständig von den anderen Kindern verspottet. Er war nicht nur körperlich fehlgebildet, sondern auch geistig zurückgeblieben. Mit 25 Jahren hatte er das Gemüt eines kleinen Kindes. Aber das Schlimmste war, dass er auf den Spott der Menschen immer mit Aggressionen reagiert hatte. Pfarrer Johannes hatte viel versucht, um ihn auf einen gottgefälligen Weg zu leiten und ihn lange Jahre davon abhalten können, anderen weh zu tun. Diese neue Entwicklung stimmte ihn sorgenvoll. Er durfte das Beichtgeheimnis nicht verletzen, trotzdem musste er die Sache im Auge behalten. Vielleicht konnte er mehr über Giligs gefährliche Gelüste herausfinden und verhindern, dass er sich und andere unglücklich machte.
     
     
    ...
     
     
    Geschickt legte er die Schlinge ins Unterholz. Sie war unsichtbar für jeden, der nicht genau wusste, wo sie lag. Es duftete herrlich nach Blaubeeren. Die Früchte waren prall und reif. Sein Magen knurrte und er musste sich selbst davon abhalten, die verlockenden Beeren zu pflücken. Nein, diese waren für sein nächstes Opfer reserviert. Er wusste, dass es genug Menschen gab, die in den kommenden Stunden diesen gewundenen Pfad entlanglaufen würden.
    Viele Kinder benutzten ihn
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