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Kalter Zwilling

Kalter Zwilling

Titel: Kalter Zwilling
Autoren: Catherine Shepherd
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Jetzt war es längst zu spät. Er hatte Klaus gedeckt, ohne dass dieser es auch nur ahnte, und es gab kein Zurück mehr. Die Karte würde nie wieder unauffällig an ihrem Ursprungsort landen. Das, was Oliver getan hatte, war falsch. Im Beamtendeutsch ausgesprochen war es Unterdrückung von Beweismitteln und damit eine Straftat. Wenn die herauskam, würde eine Menge Ärger auf ihn zukommen.
    Er hatte es noch nicht einmal übers Herz gebracht, Emily davon zu erzählen. Eigentlich vertraute er ihr alles an, bedingungslos. Sie war die Frau seines Lebens und er wollte keine Geheimnisse vor ihr haben. Doch er brachte es nicht fertig, ihr von der Visitenkarte zu berichten. Er schämte sich für seinen Vertrauensbruch, doch viel schwerer noch wog die Angst, dass Emily ihn plötzlich mit anderen Augen sehen könnte. Dass er nicht mehr ihr aufrechter Held, sondern einfach nur ein korrupter Polizeibeamter war, für den der Ruf seines Partners über der unbequemen Wahrheit stand.
     
     
    ...
     
     
    Emily durchsuchte das Internet seit Stunden. Es war verdammt schwierig, an die notwendigen Informationen zu kommen. Sie war sich nie sicher, ob sie gerade auf einer seriösen oder zwielichtigen Seite surfte. Zwar musste mittlerweile jede Internetseite nach dem Telemediengesetz ein aussagekräftiges Impressum angeben, doch heutzutage konnte man für wenig Geld eine Firma mit einem wohlklingenden Namen gründen.
    Gibt es das Böse wirklich? Das war der Titel ihrer neuen Reportage für die Rheinische Post. Nachdem sie in den letzten Monaten über zwei der bekanntesten Serienmörder des historischen Zons geschrieben hatte, wollte sie ihre Arbeit auf diesem Themengebiet fortsetzen. Eigentlich benötigte sie für diese Aufgabe psychologische Vorkenntnisse, doch die gab ihr Journalismus-Studium nicht her. Deshalb recherchierte sie im Netz.
    Es gab tausende Seiten zu dieser Fragestellung. Emily hatte beschlossen, zunächst mit psychiatrischen Kliniken zu beginnen. Sie glaubte, dass sie hier am ehesten auf vertrauenswürdige Quellen stoßen würde. Im Rhein-Kreis Neuss gab es große geschlossene Abteilungen, doch Emilys Blick blieb am Foto einer kleinen psychiatrischen Anstalt hängen. Sie befand sich mitten im Nirgendwo zwischen Zons und Rheinfeld. Es war das Foto, das Emilys Aufmerksamkeit erregte. Die Klinik sah wie eine traurige Villa aus. Mitten in einem großen Park umrandet von uralten Bäumen stand ein weißes Haus mit vielen Fenstern. Die Fenster blickten sie wie schwarze Augen an. Obwohl die Villa ein prachtvolles Gebäude mit niedlichen kleinen Türmchen an den Ecken war, konnte Emily die Leere spüren, die von diesem Ort ausging.
    Die brutalsten Morde wurden oft von Menschen verübt, die unter psychischen Störungen litten. Die schlimmsten Täter bezeichnete man als Psychopathen, obwohl es diesen Begriff in der medizinischen Wissenschaft gar nicht gibt. Psychopathen konnten ihren Mitmenschen Wärme und Zuneigung vorgaukeln, obwohl sie in ihrem Inneren keinerlei Gefühle für diese Menschen hegten. Das machte sie besonders gefährlich. Opfer gingen ihnen leicht in die Falle, da Psychopathen in der Lage waren, genau das vorzuspielen, was ihr Gegenüber erwartete. War das Opfer erst einmal ins Netz gegangen, gab es kein Halten mehr. Brutal und rücksichtslos konnte der Psychopath ohne jegliches Mitgefühl die widerlichsten Verbrechen begehen. Zudem vermochten solche Täter das Unrecht ihres Handelns nicht einzusehen, obwohl sie oft hochintelligent waren.
    Interessanterweise gab es auch in den deutschen Chefetagen eine ganze Reihe von Psychopathen. Eine wissenschaftliche Studie hatte erst vor kurzem die Führungskräfte diverser Unternehmen unter die Lupe genommen und dabei festgestellt, dass psychopathische Persönlichkeiten besonders gut Karriere machten. Sie hatten mehr Durchhaltevermögen als ihre Kollegen und empfanden auch persönliche Niederlagen nicht als Kränkung. Folglich konnten sie ihr Karriereziel viel beharrlicher und sachlicher verfolgen. Kälte und Unempfindlichkeit sowie mangelndes Verständnis für die Bedürfnisse der eigenen Mitarbeiter waren die modernen Voraussetzungen, wenn man es ganz nach oben schaffen wollte. Diese »Business-Psychopathen« waren in den meisten Fällen keine brutalen Mörder. Aber eine Gemeinsamkeit hatten alle Psychopathen: den unbedingten Macht- und Kontrolltrieb. Bei psychopathischen Persönlichkeiten, die bereits in der Kindheit schwere Misshandlungen und Zurückweisungen erlebt
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