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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Pommes, pickiges Cola floss über den Tisch. Die junge Mutter war aufgesprungen und hatte ein Kind im rosa Anorak am Arm gepackt, das gleich zu heulen anfangen würde. »Geht schon in Ordnung«, sagte der Adi. Er bückte sich nach dem Kübel und dem Bodentuch. Er hätte die Suse auch mit dem Kind von einem anderen genommen. Aber jetzt war es zu spät, ihr das zu sagen.

    *

    Das Haus war endlich zur Ruhe gekommen. Um elf Uhr hatte der alte Herr Tichy von nebenan den Fernseher abgedreht, um halb eins war das Paar aus dem oberen Stockwerk nach Hause gekommen und hatte noch ordentlich herumgepoltert. Dann war es still geworden. Nur ein paar Zecher aus dem Beisl ums Eck waren noch über die Straße getorkelt und hatten den vorbeifahrenden Autos hinterher gegrölt. Und jetzt hörte man ab und zu eine Sirene aus der Ferne. Kollegen vom Streifendienst, die zu einer Rauferei fuhren, oder die Rettung, die zu einem Unfall raste.
    Zwei Uhr vorbei, Pestallozzi lag da mit verschränkten Händen über der Brust. Wie aufgebahrt, hatte seine Schwester Moni immer gespottet, als sie noch ein Zimmer miteinander geteilt hatten. Mit einem Stockbett, er oben, logo, er war ja auch der Ältere gewesen. Und schon damals hatte er nicht schlafen können und war stundenlang wach gelegen und hatte den Geräuschen der Welt gelauscht, die so ganz anders waren als bei Tag. Und hatte nachgedacht. Pestallozzi griff nach seinem Handy und sah auf die blinkenden Ziffern. 02:58. In drei Stunden würde er aufstehen, vorher machte das keinen Sinn, er saß dann nur herum und fröstelte und grübelte. Wie die Geschichte mit der Henriette weitergehen sollte, zum Beispiel. Bis jetzt hatte zum Glück noch keine Menschenseele eine Ahnung davon, nicht einmal der Leo. Denn die Kommentare konnte er sich nur zu gut vorstellen, die dann die Runde machen würden! Was Lisa dazu sagen würde? Er wälzte sich unruhig auf die Seite. Wenigstens war die wohlbehalten von ihrem Klosterabenteuer zurückgekommen, und auch in ihrer kleinen Familie schien Weihnachtsfriede eingekehrt zu sein. Na ja, wenigstens ein brüchiger halt, hatte sie ihm am Handy berichtet, und irgendwie so distanziert und kühl geklungen. Auch gut. Und mit der Oberin hatte er telefoniert, und die hatte ihm erzählt, dass Agota Lakatos auf dem Friedhof des Klosters begraben werden sollte, mit ausdrücklicher Billigung vom Herrn Kardinal. Dann hatten sie noch ein paar Abschiedsworte gewechselt, freundlich vorsichtig, wie um zu prüfen, ob das Eis auch tragen würde. Grüßen Sie mir Ihren jungen Kollegen, hatte die Oberin gesagt. Schwester Annunziata lässt sich sehr herzlich für die Spende bedanken. Für welche Spende, hatte er verblüfft gefragt. Nun, Ihr Kollege ist offenbar noch einmal zurückgekommen, hatte die Oberin geantwortet, wie Sie damals in Ungarn waren, und hat Schwester Annunziata einen Schein überreicht. Für die Kinder, hat er gesagt. Grüßen Sie mir diesen jungen Mann, und der Herr möge Sie beide behüten.
    Der Leo. Irgendwo hatte er einmal diesen Satz gelesen: Es gibt keine Liebe, es gibt nur Taten. Der hatte ihm gut gefallen, aber er hatte ihn natürlich nicht weiter beherzigt. Und ausgerechnet der Leo hatte genau diese Worte wahr werden lassen. Pestallozzi setzte sich auf und nahm einen tiefen Schluck aus der Mineralwasserflasche, die neben seinem Bett auf dem Fußboden stand. Dann klopfte er den Polster auf und legte sich wieder hin. Schon fast vier, die Nacht war beinahe überstanden. Zweimal 15.000 Euro hatte der Öttinger an den Oslip überwiesen, das hatte die Überprüfung der Konten erbracht. Der Öttinger sagte schon seit Tagen kein Wort mehr, und der Oslip hatte nur gegrinst, als ihn die Kollegen aus Wien befragt hatten. Das ist die Anzahlung für ein Projekt, über das wir beide, der Herr Öttinger und ich, damals in Budapest gesprochen haben. Ist das strafbar? Dann war er aufgestanden und aus dem Büro hinausspaziert. Einen wie den Oslip würden sie kaum je zu fassen kriegen. Der hatte seine Entourage aus Staranwälten um sich und war mit Politikern per du, die ein kleiner Inspektor nur aus dem Fernsehen kannte. Aber wenigstens saß der Öttinger in seiner Zelle. Und der Grabner war hochzufrieden. Und der Krinzinger wirkte irgendwie erleichtert, als ob ihm heimlich ein Stein von der Seele gepoltert wäre. Draußen vor dem Fenster begann es bereits ganz sachte zu dämmern, Artur Pestallozzi schloss die Augen. Einen Herzschlag lang nur wollte er sich vorstellen, dass es
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