Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
runter von der Bundesstraße, über den schlammigen Feldweg bis zur Kapelle zurück, die sogar am Tag offenbar im Schatten lag. Jetzt war nur tiefe Dunkelheit rundum. Pestallozzi hielt die Taschenlampe, der Pfarrer suchte nach dem richtigen Schlüssel. Endlich passte einer und drehte sich quietschend im Schloss. Die Tür ging auf, und sie betraten den eiskalten Raum. Bänke und ein schlichter Altar, ein gekreuzigter Jesus. Dunkle Gemälde an den Seitenwänden. Der Geruch von kaltem Weihrauch hing in der Luft.
    »Ich suche den Heiligen Nepomuk«, sagte Pestallozzi. »Hier soll irgendwo ein Gemälde von ihm hängen.«
    Pfarrer Darius sah unsicher drein. »Ich war noch nicht allzu oft hier. Zweimal habe ich eine Messe im Freien gelesen und einmal ein junges Paar getraut. Aber ich habe einfach noch nicht die Zeit gefunden, mich eingehender mit der Innenausstattung zu beschäftigen. Ich habe drei Gemeinden zu betreuen. Der Heilige Nepomuk würde jedenfalls hierher passen. Der hilft gegen Hochwasser und Überschwemmung.«
    »Hat dieser Nepomuk irgendein bestimmtes Merkmal? Woran erkennt man den eigentlich?«
    Der Pfarrer starrte Pestallozzi an. »Den Heiligen Nepomuk? Das ist einer der bekanntesten Märtyrer überhaupt! Er wurde gequält und ertränkt und ist dann …«
    Draußen vor der Kapelle wurde ein Motorengeräusch immer lauter, ein Wagen kam eindeutig näher. Pestallozzi ließ die Taschenlampe über die Wände der Kapelle flackern, viel zu schnell, aber die Ungeduld zerriss ihn fast. Brüchige Gemälde in uralten Rahmen, Goldreste glänzten im Licht auf und versanken wieder in der Dunkelheit. Und dann sah er ihn. Den Heiligen Nepomuk. Zunächst nur einen Körper, der bis zu den Hüften im Wasser stand, kindlich gemalte Wellen umspielten sein blaues Gewand.
    Draußen vor der Kapelle wurde eine Wagentür zugeschlagen, jemand kam die wenigen Schritte durch den Matsch angelaufen. »Chef«, rief eine vertraute Stimme. »Du musst unbedingt …«
    Die Taschenlampe beleuchtete endlich das Haupt des Heiligen Nepomuk. Das Licht tanzte über sein Gesicht, so sehr zitterte die Taschenlampe in Pestallozzis Hand. Der Märtyrer sah zum Himmel hoch, ein Lächeln umspielte seine Lippen, fünf Sterne umkränzten seinen Kopf. Eine Hand streckte sich ihm aus den Wolken entgegen.
    »Aber das ist doch …« Pfarrer Darius verstummte.
    »Chef, endlich kann ich dir …« Leo war neben ihn getreten, er keuchte und starrte auf das Bild. »Aber das ist doch, das ist doch dieser …«
    Still wurde es in der Kapelle, totenstill. Sie standen da wie drei müde Pilger, die am Ende einer langen Reise angekommen waren. Nur der Heilige Nepomuk lächelte. Sein Haar kringelte sich zu kurzen Löckchen, sein braunfleckiges Gesicht schien wie von der Sonne gegerbt. Der Heilige Nepomuk auf diesem alten Gemälde sah aus, als ob er gern über die Felder und durch die Auen gewandert wäre mit einem Hund an seiner Seite. Wie der freundliche Mann, der bei der Gemeindeversammlung das Wort ergriffen hatte. Diese Schwester Agnes hatte das ganz richtig erkannt.

    *

    Leo, der Krinzinger und Pestallozzi kamen über die verschneite Straße und hielten auf das Vier-Sterne-Hotel Fraunschuh zu. Es war noch nicht einmal halb acht in der Früh, aber das ganze mächtige Haus war bereits hell erleuchtet. Weihnachtliche Glitzergirlanden schmückten das Dach, aus vielen der Fenster hinter den Holzbalkonen drang warmer Schein, der Wintergarten funkelte bis weit in den verschneiten Garten hinaus.
    »Dort geht’s zur Wellnesslandschaft, und da drüben ist immer das Frühstücksbuffet aufbaut.« Krinzinger deutete auf den Wintergarten wie ein eifriger Fremdenführer, aber seiner Stimme war die Müdigkeit anzuhören. Die halbe Nacht waren sie zusammengesessen und hatten diesen Fall gedreht und gewendet. Der Pfarrer war auch dabei gewesen. Und der Krinzinger hatte vom Öttinger erzählt, der gemeinsam mit seiner Frau, der Irmi, das Hotel führte. Aber das Hotel gehörte ganz allein der Irmi, die hatte den Laden hochgebracht, den sie als kleine Frühstückspension von ihren Eltern übernommen hatte. Hatte gleich ordentlich Kredite aufgenommen und dazu gebaut, das Fraunschuh war heute einer der Topbetriebe in der Region. Nur Kinder hatten sie keine, die Irmi und der Schorsch.
    Fraunschuh, hatte Pestallozzi an dieser Stelle gefragt, so heißt doch auch der Assistent vom Turnauer, oder? Genau, hatte der Krinzinger genickt, das ist der Neffe von der Irmi. Der soll ja auch einmal
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher