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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Lächeln war so professionell wie das einer Eisprinzessin. »Darf ich fragen …«
    »Servus, Irmi«, sagte der Krinzinger. »Wir müssten den Schorsch sprechen.«
    Die Frau lächelte, nur ihre Augen wurden schmal. »Der wird jeden Moment herunterkommen, der hat nämlich am Vormittag einen Termin bei der Landesregierung in Salzburg. Aber ich wüsste gern …«
    »Das passt schon!«
    Irmgard Öttinger, die Chefin vom Vier-Sterne-Hotel Fraunschuh , war es nicht gewöhnt, so knapp abgefertigt zu werden, das sah man ihr deutlich an. Doch sie lächelte noch immer, dann drehte sie sich zu dem Kellner um, der wie angewurzelt im Türrahmen stand. »Was ist, Mario? Steh da nicht herum! Tisch 7 wartet auf den Speck! Also Abmarsch!« Der junge Kellner flitzte davon, Irmgard Öttinger hob bedauernd die Schultern: »Das Personal heutzutage, einfach eine Katastrophe! Aber man muss froh sein, wenn man überhaupt noch Leute bekommt.« Sie zögerte einen Moment, dann wies sie mit einer anmutigen Geste hinüber zum Kamin: »Darf ich Sie vielleicht bitten, kurz Platz zu nehmen? Mein Mann wird bestimmt …«
    »Vielen Dank, das ist nicht mehr nötig«, sagte Pestallozzi und sah zur Treppe hin, alle folgten seinem Blick. Ein Mann im dunklen Trachtenanzug kam gerade die Stufen herab, seine Schuhe glänzten, sein Gilet mit den Silberknöpfen saß tadellos, sein Gesicht war frisch rasiert. Er nestelte am Verschluss seiner Aktentasche herum, dann sah er auf und erblickte die kleine Versammlung, die auf ihn wartete. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Irmgard Öttinger machte ihm einen Schritt entgegen: »Georg, diese Herren wollen dich …« Aber der Mann ging einfach an ihr vorbei.
    »Grüß Gott, Herr Öttinger«, sagte Pestallozzi. »Wir hätten ein paar Fragen an Sie.« Er vermied es bewusst, Wörter wie Chefinspektor oder Mordkommission auszusprechen, sie alle erregten sowieso schon mehr Aufsehen als ihm lieb war. Gäste aus dem Frühstücksraum starrten neugierig zu ihnen herüber, die jungen Frauen an der Rezeption tuschelten miteinander. Irmgard Öttinger lächelte nicht mehr, sondern hatte hochrote Flecken auf ihrem Hals.
    »Ich komme mit Ihnen«, sagte Georg Öttinger.
    »Wir können auch gern hier in …«
    »Ich komme mit Ihnen.«
    »Selbstverständlich, wenn Ihnen das lieber ist.« Pestallozzi zögerte einen Moment. Er wollte dem Mann die Möglichkeit geben, sich von seiner Frau zu verabschieden, aber der blickte nur starr geradeaus. »Nun gut, dann darf ich Sie bitten, mit meinen Kollegen …«
    Sie nahmen ihn in die Mitte, der Krinzinger und der Leo, und führten ihn durch das weihnachtlich geschmückte Glasportal und die Stufen hinab. Die Halle schien mittlerweile voller Menschen zu sein, die atemlos diese Szene verfolgten. Aber Pestallozzi sah nur die Frau, die dastand mit ineinander verkrampften Händen, eine Ader pochte an ihrem Hals. Er nickte ihr zu, bevor er den anderen folgte. Das war alles, was er für sie noch tun konnte.

    *

    In der Zelle roch es so fürchterlich nach Kloreiniger, aber das war auch schon das Einzige, was ihn störte. Er war endlich allein, nur das zählte. Es war erst fünf Uhr, aber man hatte ihm schon ein Tablett mit dem Abendessen hineingereicht. Zwei Scheiben Brot, Wurst und Käse, ein süßsaures Gurkerl. Und ein Becher Früchtetee. Ab und zu nahm er einen Schluck vom Tee, der schmeckte wie Red Bull mit Kandisin. Beim Verhör hatte es Kaffee und Mineralwasser gegeben, alle waren ausnehmend höflich gewesen. Und waren es auch geblieben, als er schon nach wenigen Sätzen aufgehört hatte, ihre Fragen zu beantworten. Denn die wichtigste von allen hatte er ohne zu zögern bejaht. Ja, ich habe diese Agota Lakatos erstickt. Warum? Darauf hatte er nur den Kopf geschüttelt. Woher haben Sie Agota Lakatos überhaupt gekannt? Aus Ungarn? Und ihren Bruder? Anton Lakatos? Was haben Sie mit dem zu tun gehabt? Aber er war nur mehr dagesessen und hatte eisern geschwiegen. Und dieser Chefinspektor hatte ihn ebenso schweigend betrachtet wie ein aufgespießtes Insekt, während der Jüngere wieder und immer wieder nachgebohrt hatte. Schließlich hatten sie ihn in diese Zelle gebracht. Und er konnte zum ersten Mal an diesem Tag den Kopf in den Nacken legen und die Augen schließen. Anton. Anton hatte der Junge also geheißen. Anton. Er sah wieder das Gesicht dieser Verrückten vor sich, wie sie ihn angeschrien hatte. Was hast du mit meinem Bruder gemacht? Was hast du mit meinem Bruder gemacht? Zuerst vor
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