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Kalte Stille - Kalte Stille

Titel: Kalte Stille - Kalte Stille
Autoren: Wulf Dorn
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Vater und ich gute Freunde waren. Mein Angebot bezieht sich einzig und allein auf Ihre Leistungen.«
    »Danke«, sagte Jan. »Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen.«
    Fleischer nickte und beugte sich dann wieder über den Tisch, wobei sein Ledersessel einen ächzenden Laut von sich gab.
    »Unternehmen Sie Ihren Neuanfang hier, und wenn Sie erst einmal eine Weile in der Allgemeinpsychiatrie tätig waren, wird kein Hahn mehr danach krähen, was in der Vergangenheit gewesen ist. Allerdings …«, er sah Jan eindringlich an, »allerdings knüpfe ich dieses Angebot an eine Bedingung.«
    Jan hielt Fleischers Blick stand. »Und was für eine Bedingung ist das?«
    Fleischer wiegte den Kopf, als wolle er seine Worte darin zurechtschütteln.
    »Sehen Sie, Jan, ich kann mir nicht recht vorstellen, dass jemand, der so viele Jahre versucht, sein Kindheitstrauma zu bewältigen, nun auf einmal über alles hinweg ist. Wir sind beide lange genug in diesem Geschäft, um zu wissen, dass das nicht von heute auf morgen möglich ist.«

    Jan spürte einen leichten Schauer. Natürlich hatte Fleischer Recht, aber dennoch stellten seine Worte eine gewisse Kränkung für ihn dar.
    »Herr Fleischer, ich versichere Ihnen, dass ich mich wieder völlig im Griff habe. Dieser Bekannte aus Füssen, den ich erwähnte, ist ein hervorragender Psychotherapeut. Die Gespräche mit ihm waren mir eine große Hilfe, und wenn Sie mir eine berufliche Chance geben, werde ich Sie davon überzeugen.«
    »Das glaube ich Ihnen gern«, entgegnete Fleischer. »Aber als Arzt und Freund rate ich Ihnen, weitere Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein langjähriger Freund und Kollege, Dr. Norbert Rauh, ist seit einiger Zeit wieder an unserer Klinik tätig. Er könnte Ihnen ein überaus erfolgversprechendes Therapieangebot machen. Selbstverständlich absolut diskret.«
    Jan verstand, worauf Fleischer hinauswollte. »Das ist also die Bedingung?«
    »Ich denke dabei nur an Sie, Jan«, sagte Fleischer und nickte. »Natürlich steht es Ihnen frei, mein Angebot abzulehnen, aber Sie sollten es zumindest überdenken. Ich möchte wirklich etwas für Sie tun und Ihnen nicht einfach nur einen Arbeitsplatz anbieten. Für Ihren Neuanfang bedarf es mehr, und ich denke, dies wäre auch ganz im Sinne Ihres Vaters. Hören Sie in sich hinein, dann werden Sie mir zustimmen.«
    Jan sah nachdenklich aus dem Fenster. Was blieb ihm für eine andere Wahl? Konnte er Fleischers Bedingung ablehnen? Nicht, wenn er sich baldmöglichst rehabilitieren wollte. Andernfalls würde er über kurz oder lang irgendeinen Aushilfsjob annehmen und damit einen endgültigen Schlussstrich unter seine Karriere ziehen müssen. Welche Klinik würde noch einen Arzt beschäftigen, den
man wegen schwerer Körperverletzung entlassen hatte und der nach längerer Auszeit sein Geld in einer Frittenbude oder bei irgendeinem Kurierdienst verdient hatte?
    Abgesehen davon sah es auf seinem Konto inzwischen mehr als mau aus. Die Scheidung und der Verdienstausfall hatten den Erlös aus dem Verkauf seiner Wohnung längst aufgezehrt. Danach hatte er seine Ausgaben nur noch aus den Mieteinnahmen bestritten, die er für sein Elternhaus bekam - und das war nicht gerade die Welt, zumal er auch Rücklagen für Renovierungsarbeiten bilden musste -, ehe auch diese Einnahmequelle versiegt war.
    Natürlich hätte er das Haus zum Verkauf anbieten und so die Zeit überbrücken können, bis er eine andere Stelle bekam. Bei den gegenwärtigen Immobilienpreisen in der Region Fahlenberg wäre dies allerdings eine überaus schlechte Idee gewesen.
    Vor allem aber konnte Jan nicht darauf hoffen, dass er noch ein weiteres Stellenangebot bekam, das mit diesem mithalten konnte. Und vielleicht hatte Fleischer Recht. Vielleicht war es wirklich an der Zeit, eine Therapie zu machen, statt nur mit einem Freund über seine Probleme zu sprechen. Es war zumindest einen Versuch wert.
    »Also gut«, sagte Jan und sah, wie Fleischers Gesicht aufstrahlte. »Ich bin einverstanden. Wann kann ich anfangen?«
    »Gleich am Montag, wenn es Ihnen passt.«
    Als Jan wieder auf dem Parkplatz stand, sah er noch einmal zu Fleischers Bürofenster hoch. Es gab da noch eine Frage über die Vergangenheit, die er dem Professor gern gestellt hätte. Doch während ihres Gesprächs hatte
er sich dagegen entschieden. Andernfalls hätte Fleischer ihm nie geglaubt, dass er mit den Geschehnissen von damals abgeschlossen hatte. Tief in seinem Innern glaubte Jan auch, dass Fleischer die
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