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Kalte Stille - Kalte Stille

Titel: Kalte Stille - Kalte Stille
Autoren: Wulf Dorn
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mehr in Ruhe gelassen, aber nun spielten sie keine Rolle mehr. Ganz gleich, ob sich Svens sterbliche Überreste in diesem Sarg befanden oder nicht, es war vorbei.

    Jan hob den Kopf und ließ die Stille des Friedhofs auf sich wirken. Selbst der Verkehr auf der nahen Schnellstraße schien für einen Moment verstummt zu sein. Kein Lüftchen regte sich im Geäst der Bäume. Es war eine Stille, die Jan keine Qual bereitete. Stattdessen war sie voller Frieden. Zum ersten Mal.
    »Möchtest du noch bleiben?«, fragte Carla leise und berührte ihn an der Hand.
    Jan schüttelte den Kopf. Sie wandten sich um und gingen langsam zum Ausgang, wo Hubert Amstner und Polizeihauptmeister Kröger wie ein ungleiches Paar nebeneinanderstanden und ihnen zunickten.
    »Soll ich Sie zu Ihrem Hotel bringen?«, fragte Kröger.
    »Nein danke«, sagte Jan. »Ich gehe lieber ein Stück zu Fuß.«
    Kröger sah auf Jans Krücken, dann zuckte er mit den Schultern. »Wie Sie wollen. Ich melde mich, falls wir noch weitere Angaben benötigen.«
    »In Ordnung. Meine Nummer haben Sie ja.«
    »Und Sie?« Kröger wandte sich Carla zu. »Zurück in die Klinik?«
    »O nein«, entgegnete sie. »Von Krankenhäusern habe ich die Nase voll.«
    »Verständlich.« Kröger nickte ihnen noch einmal zu, dann watschelte er gemächlich zu seinem Streifenwagen.
    Jan wandte sich Hubert Amstner zu. »Danke, dass Sie gekommen sind.«
    »Ehrensache«, entgegnete Amstner. Jan glaubte, einen Ausdruck tiefster Erleichterung in seinen Augen zu erkennen. Auch für ihn schien ein schlimmes Kapitel in seinem Leben ein für alle Mal abgeschlossen zu sein.
    »Alles Gute«, sagte Amstner und nickte Carla zu. »Euch beiden.«

    Dann ging auch er. Er nahm den Weg quer über den Friedhof und war kurz darauf zwischen den Grabsteinen verschwunden.
    »Netter Kerl«, sagte Carla. »Hätte ich nie gedacht.«
    Jan nickte. »Da sieht man mal wieder, wie man sich in den Menschen täuschen kann.«
    »Na, hoffentlich begreifen das auch die Fahlenberger. Ich würde es ihm wünschen.«
    Sie gingen zusammen in Richtung der Bushaltestelle. Carla sah Jan an. »Und was wird jetzt aus Fleischer?«
    »Ich schätze, man wird ihn in eine forensische Einrichtung für psychisch kranke Straftäter stecken«, entgegnete Jan. »Da gehört er meiner Meinung nach auch hin.«
    »Und du? Wirst du in Fahlenberg bleiben?«
    »Ich weiß es noch nicht.« Jan glaubte, ein wenig Wehmut in ihrem Blick zu erkennen. »Jetzt werde ich erst einmal zum Hotel zurückgehen und hundert Jahre schlafen. Danach werde ich Rudi in der Klinik besuchen, und dann sehen wir weiter.«
    »Oh«, sagte Carla, »das hätte ich ja fast vergessen. Ich soll dich von ihm grüßen.«
    »Von Rudi? Wie geht es ihm?«
    »Na ja, es hat ihn schlimm erwischt«, sie zuckte mit den Schultern, »aber er ist ein zäher Knochen. Als ich aus der Klinik los bin, hat er gesagt, du sollst ihm unbedingt Bier mitbringen, sonst würde er noch wahnsinnig.«
    Jan schmunzelte. Sein alter Freund befand sich eindeutig auf dem Weg der Besserung. Als sie bei der Bushaltestelle angekommen waren, wandte Carla sich zu ihm um.
    »Sag mal … das Hotelzimmer …«
    »Ja?«

    Sie legte die Stirn in Falten. »Ist das ein Einzelzimmer?«
    »Nein, ein Doppelzimmer. Einzelzimmer haben die nicht.«
    »Hundert Jahre schlafen, hast du gesagt?«
    »Mindestens.«
    Carla wiegte den Kopf. »Klingt verlockend. Der Bus hält übrigens direkt am Hotel.«
    »Na, dann sollten wir wohl gemeinsam fahren.«
    Bevor sie in den Bus stiegen, sah Jan noch einmal in den klaren Winterhimmel hinauf.
    Wie friedlich er doch aussah. Tiefblau. Und noch immer erfüllt von dieser wohltuenden Stille.

Epilog
    Zwei Monate später erhielt Jan Besuch von Heinz Kröger. Es war bereits Abend, als der dicke Polizist vor Jans Haustür stand und sich den Schnee von den Schultern klopfte.
    »Tut mir leid, dass ich noch so spät störe«, sagte er. »Aber ich wollte es Ihnen gleich nach Dienstschluss vorbeibringen, ehe ich es vergesse.«
    »Kein Problem«, entgegnete Jan und sah auf die kleine Plastiktüte mit dem Aufdruck einer Apotheke in Krögers Hand. »Wollen Sie reinkommen?«
    »Nein danke.« Kröger deutete auf die Umzugskartons, die sich im Flur stapelten. »Sie haben bestimmt noch eine Menge zu tun. Außerdem wartet zu Hause ein Sauerbraten auf mich.«
    »Da kann ich leider nicht mithalten. Im Moment funktioniert hier nur die Mikrowelle.«
    »Nettes Haus«, sagte Kröger. »Herr Marenburg hat mir erzählt, dass
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