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Kalte Stille - Kalte Stille

Titel: Kalte Stille - Kalte Stille
Autoren: Wulf Dorn
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Sein Tritt traf Norbert Rauhs lebloses rechtes Bein, so dass der Tote wie beim Salutieren die Hacken aneinanderschlug. Von der Wucht des Aufpralls wurde Rauhs linkes Bein zur Seite geschleudert und traf den Kanister, der daraufhin in Raimund Fleischers Richtung kippte und seinen brennenden Inhalt über Fleischers Waden ergoss.
    Der Professor stieß einen gellenden Schrei aus, in den sich Überraschung, Wut und Schmerz mischten. Im selben Moment löste sich ein Schuss.
    Jan spürte einen Luftzug an der Schläfe, dann traf ihn der Querschläger in seine linke Wade. Es fühlte sich an, als habe man ihm einen Hieb versetzt. Jan rollte sich zusammen, um einem weiteren Schuss auszuweichen.
    Dann sah er Fleischer, der sich ebenfalls zu Boden warf und versuchte, seine brennenden Hosenbeine zu löschen. Kreischend wälzte er sich hin und her, schlug mit den Händen nach seinen Beinen und presste sie in die Lache aus Norbert Rauhs halb geronnenem Blut.
    Jan stieg der Geruch nach glühendem Kupfer in die Nase. Er sah die Pistole, die nun in knapp drei Metern Entfernung von Fleischer lag. Der brennende Inhalt des Kanisters hatte sich schon ein gutes Stück in diese Richtung vorgearbeitet und trennte Fleischer durch eine Flammenwand von der Waffe.
    Jan sprang auf. Fast wäre er sofort wieder der Länge nach hingefallen - er spürte einen weißglühenden Stich in der Wade -, doch er fing sich, machte einen Satz nach
vorn, schnappte sich die Waffe, noch ehe die Flammen ihm zuvorkommen konnten, und eilte hinkend auf die Tür zu.
    Aus dem Augenwinkel konnte er Fleischer erkennen, der ebenfalls aufgesprungen war und ihm brüllend hinterherstürzte. Als Jan den Gang erreicht hatte, sah er noch kurz das vor Schmerz und grenzenloser Wut verzerrte Gesicht des Professors. Dann war er auf der anderen Seite der Tür und schlug sie zu.
    Fleischer drückte mit aller Kraft gegen die Tür, und Jan hatte Mühe, seinem Ansturm standzuhalten, während er mit einer Hand nach dem dicken Vorhängeschloss fischte, das wenige Zentimeter von seinen Fingerspitzen entfernt am Boden lag.
    Fleischer gelang es, die Tür einen Spaltbreit aufzudrücken und die Finger um das Türblatt zu schließen.
    Als Jan das sah, ließ er kurz von der Tür ab, nur um sich gleich wieder mit voller Wucht dagegenzuschmettern. Brüllend zog Fleischer die Hand zurück. Von der anderen Seite der Tür war ein grausiger Schmerzensschrei zu hören, der mehr nach einem Raubtier als nach einem Menschen klang.
    Jan hob das Vorhängeschloss vom Boden auf, schob es durch die beiden Ösen und ließ es zuschnappen. Keuchend lehnte er sich gegen die Tür und sah den Gang entlang. Die Glühbirnen hatten wieder zu flackern begonnen, und wahrscheinlich würde der Generator in den nächsten paar Minuten seinen Geist aufgeben. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. In ein paar Minuten würde es diesen Bunker nicht mehr geben. Nicht, wenn die Flammen die Munitionskisten erreichten.
    Ich muss hier raus!
    Begleitet von Fleischers heftigem Getrommel gegen
die Stahltür hinkte Jan dem Ausgang entgegen. Doch schon nach zwei Schritten hielt er inne und sah sich noch einmal um.
    Fleischer brüllte nun nicht mehr. Er weinte, heulte, bettelte um sein Leben. Heftig atmend starrte Jan auf die Tür, hörte die Faustschläge und das Flehen des Professors.
    »Bitte, Jan!«, wimmerte Fleischers Stimme durch das Metall. »Lass mich raus! Sonst wirst du nie erfahren, wo ich Sven begraben habe!«
    Fassungslos stand Jan da und starrte auf die Tür.

63
    Er umklammerte den Pistolengriff fester. Auf einmal waren alle körperlichen Schmerzen vergessen - die aufgeplatzte Stelle an seinem Hinterkopf, die geprellte Schulter und die Schusswunde in seiner Wade. Sein Körper war wie betäubt.
    Dafür flammte ein anderer Schmerz in ihm auf. Er war so vertraut wie ein alter Weggefährte. Er war wie ein eiserner Griff, der sich um Herz und Eingeweide schloss und zudrückte. Norbert Rauh hatte es Obsession genannt und damit den Nagel auf den Kopf getroffen.
    »Jan! Bitte, Jan!«
    Fleischers weinerliche Stimme klang in Jans Gehirn, als würde der ganze Bunker von ihr widerhallen. »Jan! Bist du …« Ein Husten. »Bist du noch da?«
    Jan wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Er glaubte sich selbst zu beobachten, wie er sich in Zeitlupe
zur Tür bewegte, den Schlüssel im Vorhängeschloss drehte und es wieder aus den Ösen entfernte.
    Als er die Tür aufzog, schwankte ihm der Professor aus einem Flammeninferno entgegen. Er
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