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Kalte Herzen

Kalte Herzen

Titel: Kalte Herzen
Autoren: Tess Gerritsen
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versuchte, ihre Arme zu packen. Sie wirbelte herum und zielte auf sein Gesicht. Befriedigt spürte sie, wie ihre Faust ihr Ziel fand. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine huschende Bewegung wahr. Es war Jakov, der blitzschnell um eine Ecke verschwand. Der Mann, den sie geschubst hatte, war inzwischen wieder auf den Beinen und kam aus der anderen Richtung auf sie zu. Die beiden Männer nahmen sie in die Mitte und hoben sie hoch. Sie hörte nicht auf, sich zu wehren, als sie sie durch die Tür in den weißen Raum trugen.
    »Haltet sie doch fest!« befahl Tarasoff.
    »Der Junge –«
    »Vergeßt den Jungen! Er kann nirgendwohin. Schafft sie auf den Tisch!«
    »Sie will nicht stillhalten!«
    »Schweine!« schrie Abby und strampelte ein Bein frei.
    Sie hörte Tarasoff an den Schränken herumfummeln. Dann fauchte er: »Gebt mir ihren Arm! Ich muß an ihren Arm kommen!«
    Tarasoff trat mit einer Spritze auf sie zu. Abby schrie auf, als die Nadel in ihre Haut stach. Sie wand sich, konnte sich aber nicht losreißen. Sie wand sich erneut, doch diesmal reagierten ihre Glieder kaum. Sie hatte auch Probleme, noch etwas zu sehen, weil ihre Augenlider zufielen. Ihre Stimme war kaum mehr ein Seufzen. Sie wollte schreien, doch sie konnte nicht.
    Sie konnte nicht einmal einatmen.
    Was ist los mit mir? Warum kann ich mich nicht bewegen?
    »Schafft sie nach nebenan!« ordnete Tarasoff an. »Wir müssen sie intubieren, sonst verlieren wir sie.«
    Die Männer trugen Abby rasch in den angrenzenden Raum und hoben sie auf einen Tisch. Die Deckenlampen waren blendend hell. Obwohl sie vollkommen wach und bei Bewußtsein war, konnte sie keinen Muskel bewegen. Aber sie konnte alles spüren. Die Riemen, mit denen ihre Knöchel und Handgelenke fixiert wurden. Den Druck von Tarasoffs Hand auf ihrer Stirn, als er ihren Kopf nach hinten überstreckte. Den kalten Stahl des Larynogoskops, das in ihren Rachen geschoben wurde. Ihr Entsetzensschrei hallte nur in ihrem Kopf wider; kein Laut drang aus ihrer Kehle. Sie spürte den Trachealtubus aus Plastik in ihrer Luftröhre und würgte, als er an ihren Stimmbändern vorbei in die Luftröhre geschoben wurde. Die ganze Zeit über konnte Abby sich nicht abwenden, konnte nicht einmal Luft schnappen. Der Schlauch wurde mit Klebeband in ihrem Gesicht befestigt und an einen Beutel angeschlossen.
    Tarasoff drückte auf den Beutel, und Abbys Brust hob sich in drei raschen, lebensrettenden Atemzügen. Dann nahm Tarasoff den Beutel ab und schloß den Trachealtubus an ein Beatmungsgerät an, das in regelmäßigen Abständen Luft in ihre Lungen pumpte.
    »Und jetzt holt den Jungen!« verlangte Tarasoff. »Nein, nicht alle beide. Ich brauche jemanden, der mir assistiert.«
    Einer der Männer verließ den Raum. Der andere trat näher an den Tisch.
    »Zieh den Brustgurt fest«, befahl Tarasoff. »Die Wirkung des Succinylcholins wird in ein oder zwei Minuten nachlassen. Wir wollen schließlich nicht, daß sie wie wild um sich tritt, wenn ich die Infusion starte.«
    Succinylcholin. So war Aaron gestorben. Unfähig, sich zu wehren. Unfähig zu atmen.
    Die Wirkung des Narkotikums klang bereits ab. Abby konnte spüren, wie ihre Brustmuskeln sich durch die Berührung mit dem Plastikschlauch zusammenkrampften. Sie konnte auch wieder die Lider heben und das Gesicht des Mannes sehen, der über ihr stand. Er schnitt ihre Kleider auf und entfernte sie. Als er ihre Brust und ihren Unterleib entblößte, flackerte sein Blick auf.
    Tarasoff startete die Infusion in ihrem Arm. Als er sich aufrichtete, bemerkte er, daß Abbys Augen jetzt ganz geöffnet waren und ihn anstarrten. Er las die Frage in ihrem Blick.
    »Eine gesunde Leber ist etwas, was wir nicht für selbstverständlich halten dürfen«, erklärte er zynisch. »Es gibt einen Herrn in Connecticut, der seit über einem Jahr auf einen Spender wartet.« Tarasoff griff nach einem zweiten Infusionsbeutel und hängte ihn an den Ständer, bevor er Abby wieder ansah.
    »Er war entzückt zu hören, daß wir endlich ein passendes Organ gefunden haben.«
    Das Blut, das sie mir in der Notaufnahme abgenommen haben, erkannte sie. Sie haben es für einen Kreuzvergleich benutzt.
    Tarasoff beschäftigte sich weiter mit Vorbereitungen, schloß den zweiten Infusionsbeutel an und zog verschiedene Spritzen auf. Abby konnte nur stumm zusehen, während das Beatmungsgerät Luft in ihre Lungen pumpte. Ihre Muskelfunktionen kehrten langsam zurück. Sie konnte schon die Finger bewegen und die Schultern
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