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Kalte Herzen

Kalte Herzen

Titel: Kalte Herzen
Autoren: Tess Gerritsen
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»Sie haben mir versichert, daß ihr nichts geschehen könnte!«
    »Sie stand unter Beobachtung! Ohne meine ausdrückliche Anweisung ist niemand zu ihr vorgelassen worden.«
    »Und was ist mit ihr geschehen?«
    »Das ist eine Frage, die Sie Dr. DiMatteo stellen müssen.«
    Es war Wettigs flache Stimme, die Katzka wütend machte.
    Das und sein ausdrucksloser Blick. Ein Mann, der nichts preisgab und alles unter Kontrolle hatte. Als er in Wettigs nicht zu deutende Miene starrte, sah Katzka auf einmal sich selbst. Es war eine erstaunliche Offenbarung.
    »Sie befand sich in Ihrer Obhut, Doktor. Was habt ihr mit ihr gemacht?«
    »Ich verbitte mir Ihre Unterstellungen.«
    Katzka durchquerte das Zimmer, packte Wettig am Revers seines Laborkittels und drängte ihn an die Wand. »Verdammt noch mal«, fluchte er, »wohin habt ihr sie gebracht?«
    Endlich blitzte in Wettigs blauen Augen so etwas wie Furcht auf. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß ich nicht weiß, wo sie ist! Die Schwestern haben mich um halb sechs angerufen, um mir mitzuteilen, daß sie weg ist. Wir haben den Sicherheitsdienst alarmiert, und er hat das ganze Krankenhaus durchsucht, aber sie konnten sie nicht finden.«
    »Sie wissen, wo sie ist, oder?«
    Wettig schüttelte den Kopf.
    »Wirklich nicht?« Katzka drängte ihn erneut an die Wand.
    »Ich weiß es nicht!« keuchte Wettig.
    Vivian trat vor und versuchte, die beiden zu trennen. »Hören Sie auf! Sie würgen ihn, Katzka. Lassen Sie ihn los!«
    Katzka ließ Wettig abrupt los. Schwer atmend taumelte der ältere Mann rückwärts gegen die Wand. »Bei den Wahnvorstellungen, die sie entwickelt hatte, war sie meiner Ansicht nach im Krankenhaus am besten aufgehoben.« Wettig richtete sich auf und rieb sich über den Hals, wo der Kragen des Laborkittels ein leuchtend rotes Würgemal hinterlassen hatte.
    Katzka starrte entsetzt auf diesen Beweis seiner Gewalttätigkeit.
    »Mir war nicht klar, daß sie vielleicht die Wahrheit gesagt haben könnte«, verteidigte Wettig sich. Er zog einen Laborstreifen aus der Tasche und reichte ihn Vivian. »Das haben mir die Schwestern gerade gegeben.«
    »Was ist das?« fragte Katzka sofort.
    Vivian runzelte die Stirn. »Das ist Abbys Blutalkoholspiegel.
    Hier steht, er war gleich Null.«
    »Ich habe es heute nachmittag abnehmen und an ein unabhängiges Labor schicken lassen«, erklärte Wettig. »Sie hat immer wieder beteuert, daß sie nichts getrunken hatte. Ich dachte, wenn ich sie mit unwiderlegbaren Beweisen konfrontieren würde, könnte ich ihre Leugnungshaltung durchbrechen.«
    »Das ist das Ergebnis eines auswärtigen Labors?«
    Wettig nickte. »Vollkommen unabhängig von Bayside.«
    »Sie haben mir gesagt, Abby hätte zwei Komma eins Promille gehabt.«
    »Der entsprechende Test wurde um vier Uhr morgens vom Bayside-Labor gemacht.«
    »Die Halbwertzeit von Blutalkohol liegt zwischen zwei und vierzehn Stunden«, sagte Vivian. »Wenn sie um vier Uhr morgens dermaßen voll war, hätte dieser Test zumindest noch Reste von Alkohol zeigen müssen.«
    »Aber sie hatte keinen Alkohol in ihrem Blutkreislauf«, faßte Katzka zusammen.
    »Das bedeutet, entweder hat ihre Leber den Alkohol erstaunlich schnell abgebaut, oder dem Bayside-Labor ist ein Fehler unterlaufen.«
    »So nennen Sie das?« fragte Katzka. »Einen Fehler?«
    Wettig antwortete nichts. Er wirkte ausgelaugt und sehr alt und setzte sich auf das zerwühlte Bett. »Ich wußte ja nicht … ich wollte die Möglichkeit nicht einmal in Erwägung ziehen …«
    »Daß Abby die Wahrheit sagt?« fragte Vivian.
    Wettig schüttelte den Kopf. »Himmel«, murmelte er. »Dieses Krankenhaus sollte geschlossen werden, wenn das, was sie sagt, wahr ist.«
    Katzka spürte Vivians Blick und sah sie an.
    »Haben Sie daran jetzt noch irgendwelche Zweifel?« fragte sie leise.
    Der Junge schlief schon seit Stunden in ihren Armen, sein Atem war ein warmer Hauch an ihrem Hals. Seine Arme und Beine waren verdreht wie häufig bei Kindern, die tief und vertrauensvoll schlafen. Als sie ihn in die Arme geschlossen hatte, hatte er zuerst heftig gezittert. Sie hatte seine nackten Beine massiert, und es hatte sich angefühlt, als würde sie kalte, trockene Stöcke abreiben. Schließlich hatte das Zittern aufgehört, sein Atem war langsamer geworden, und sie hatte die Wärme gespürt, die Kinder ausstrahlen, wenn sie endlich einschlafen. Auch sie hatte eine Weile geschlafen.
    Als sie aufwachte, wehte der Wind heftiger. Sie konnte es an dem Ächzen
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