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Kalte Berechnung - Eine Rachegeschichte

Kalte Berechnung - Eine Rachegeschichte

Titel: Kalte Berechnung - Eine Rachegeschichte
Autoren: Stefanie Maucher
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es auch mich aufgeilte und dass ich Dich wahnsinnig gerne in mir spüren würde. Hast immer wieder danach gefragt. Anscheinend bist Du gefallsüchtig, brauchst Bestätigung. Die gab ich Dir, reichlich, aber es widerte mich an. Nur das Wissen, dass diese Gespräche Mittel zum Zweck waren, machte sie überhaupt erträglich. Was dich nicht umbringt, macht dich stark , dachte ich mir, während ich gegen mich selbst ankämpfte und mich zwang, Dir zu gefallen, Dich zu erregen und zu betören.
    Mein Vater hat diesen Satz gerne benutzt. Mit einem Schulterzucken, lapidar, immer dann, wenn seinetwegen Tränen flossen. Wenn ich heulte, weil er mir aus nichtigem Anlass eine saftige Ohrfeige verpasst hatte. Oder wenn meine Mutter vor Schmerzen kaum laufen konnte, weil er sie richtig verprügelte. In ihrem Fall hatte er Unrecht: Meine Mutter wurde nicht stark. Im Gegenteil. Etwas in ihr ist an seiner Grausamkeit zerbrochen. In ihrem Blick lag ein Ausdruck, den man sonst nur im Zoo sieht, in den Augen der gefangenen Gorillas, für die Freiheit nur noch eine verblasste Erinnerung aus einem längst vergangenen Leben ist. Ich habe mir geschworen, dass man diese Hoffnungslosigkeit niemals in meinen Augen finden würde. Damals habe ich mir selbst versprochen, stark zu sein, mich niemandem unterzuordnen, vor nichts Angst zu haben und mich niemals erniedrigen zu lassen.
    Doch nun entwürdigte ich mich selbst, indem ich Dein Spiel mitspielte. Brach mein mir selbst gegebenes Versprechen, indem ich Dir gefällig antwortete, obwohl ich Dich am liebsten beschimpft und bedroht hätte. Am Ende hast Du sogar darauf bestanden, wenigstens die eigene Kamera in Betrieb zu nehmen, um Dir vor ihrer Linse und meinen Augen einen runterzuholen. Willst Du wirklich wissen, ob ich die Vorstellung geil fand und sie mich ein bisschen feucht machte? Wenn Du Dich durch meine Augen betrachten müsstest, würdest Du Dir das Leben nehmen, weil Du nicht mehr in der Lage wärst, Dich selbst zu ertragen!
    Auch die folgenden Abende verbrachte ich mit Dir, in der Hoffnung, Du würdest etwas von Dir preisgeben, was Deine Identität verrät, Deine Adresse, den Ort, an den man gerne ein paar muskelbepackte Gewissenshelfer schicken würde, um Dir ein solches einbläuen zu lassen. Ich habe Deine perversen Fantasien ertragen, das Geschwätz, das Du absonderst, um Dich selbst zu erregen, sogar den Anblick, den Du mir onanierend geboten hast. Dabei hatte ich das Gefühl, kein Stück voranzukommen. Denn obwohl ich mehr von Dir erfuhr, als mir lieb war, war nichts dabei, was mir half. Ich betete um einen glücklichen Zufall. Warum, zum Teufel, konnte Dir nicht einfach die Kamera runterfallen und auf einem Stück Papier landen, auf dem Deine Adresse stand? Ein naiver Gedanke, ja, aber einer, der mich nicht losließ und immer mehr zermürbte.
    Auch in Dir schien der Frust zu wachsen. Du wurdest unzufrieden. Erneut begannst Du, zu drohen. Es war Dir nicht genug, mir Deine abartigen Vorstellungen nur zu schildern oder Dich exhibitionistisch zu zeigen. Der Ausfall meiner Webcam war ein Problem. Es war eindeutig gegen die Abmachung, dass ich mich Dir nicht zeigen konnte. Aber Du hattest einen guten Vorschlag. Etwas, das ich nur einmal für Dich tun müsse, damit Du mich ein für alle Mal in Ruhe lassen würdest.
    Was Du dann geschrieben hast, verriet mir, wer Du wirklich bist und ließ mir die Haare zu Berge stehen.

Drei

    Meine Gedanken werden jäh unterbrochen, denn mein Blick heftet sich fest an einem Mann, der sich suchend umblickt. Es ist inzwischen so dämmerig geworden, dass ich die Augen zusammenkneifen muss. Die Haarfarbe passt. Die Größe könnte auch stimmen. Er steht genau dort, wo Du mich eigentlich vermutest. Ich verfluche einmal mehr den Umstand, dass Dein Anzeigebild im Internet so klein und undeutlich war und Du darüber hinaus, wenn Du die Kamera angemacht hast, immer nur Deinen Schwanz zeigtest. Bist Du das? Aufgeregt schlägt mein Herz ein paar Takte schneller. Doch dann entdeckt eine junge Frau den Mann, fällt ihm um den Hals und gibt ihm einen langen Kuss. Nein, das bist Du nicht.
    Wo steckst Du? Seit meiner SMS ist eine gefühlte Ewigkeit vergangen. Ich starre das Handy an, welches ich noch immer abwartend in der Hand halte. Und dann – nach einigen Sekunden oder Minuten, die sich qualvoll in die Länge ziehen –, vibriert es endlich, empfängt eine neue Nachricht: Um halb zehn beim Big Wheel. Sei pünktlich!
    Kein Gruß, kein Kuss, keine weiteren
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