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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher
Autoren: Matthias Sachau
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meinetwegen sogar Witz. Aber Namen sucht man sich halt nicht selber aus. Ich sehe zu, dass ich nach Hause unter den Wasserstrahl komme. Ich hab nämlich noch was zu erledigen vor dem Mittagessen.
    Wellness
     
    Ich kenne Leute, die wirklich ausgefallene Geburtstagstermine haben. 14. Februar, 1. Mai, 24. Dezember. Richtig doof hat es meinen ehemaligen Klassensprecher erwischt. Der hat ausgerechnet am gleichen Tag Geburtstag wie Mussolini. Und das als hoffnungsvoller Grünen-Nachwuchspolitiker. Er hat sich erkundigt. Sein Geburtsdatum kann man nicht ändern lassen. Nicht mal durch Eingabe beim Petitionsausschuss des Bundestags.
    Da habe ich es mit meinem Geburtsdatum weitaus besser, aber etwas speziell ist es doch. Ich habe nämlich am gleichen Tag Geburtstag wie mein Vater. Das heißt, ich muss meinen Geburtstag jedes Jahr mit ihm teilen. Das hat natürlich auch seine guten Seiten. Immerhin bin ich Einzelkind, und da ist jede Gelegenheit zum Teilenlernen gut, sagt man. Und ich finde es irgendwie auch schön, schließlich sieht man sich ja nicht mehr so oft, weil meine Eltern weit draußen in Lichterfelde wohnen. Aber der Termin bedeutet für mich jedes Jahr mehr Stress, denn je älter ich werde, umso mehr wird von mir erwartet, dass ich etwas dazu beitrage, dass es nett wird. Vor allem Ideen.
    Dabei ist es schon schwierig genug, ein Geschenk für meinen Vater zu finden. Na ja, ihm geht es wahrscheinlich genauso, denke ich mir und schlurfe weiter. Natürlich gibt es jede Menge tolle Läden in Berlin-Mitte, einer verrückter als der andere, und jeder für sich was ganz Besonderes. Aber ein Geschenk für einen in Ehren ergrauten technischen Hauptsachbearbeiter bei den Berliner Verkehrsbetrieben und ehemaligen passionierten Amateur-Rugbyspieler zu finden, ist doch eine sehr spezielle Herausforderung.
    Vielleicht einen aufblasbaren Fernsehturm? Oder ein altes Wählscheibentelefon? Eine Armbanduhr mit Laufschrift? Ein Hellboy-Heft? Ein ramponierter, aber echter Charles-Eames-Stuhl? Ein Paar Adidas Gazelle Retro-Sneaker, Sonderedition rot mit gelben Streifen? Nein, alles nichts. Viel zu schnuckelig, viel zu zerbrechlich. Zum Glück habe ich noch etwas Zeit. Heute ist Freitag, und der Geburtstag ist erst am Sonntag in einer Woche.
    Mein Vater, der alte Rugbyfuchs, hatte schon ganz früh, ich glaube, ich konnte gerade mal laufen, die Regel eingeführt, dass jeder von uns dem anderen jederzeit etwas zuwerfen darf, und sei es noch so schwer und noch so unerwartet. Einzige Regel: Man musste dazu »Da kommt was!« rufen. Das war meine Rugby-Früherziehung. Am Anfang ging es mir auf die Nerven, dass mir dauernd Bälle und Stofftiere um die Ohren flogen. Später war ich dafür dann aber der Einzige in meiner Klasse, der seinem Vater seine Schultasche an den Kopf werfen durfte. Und, ehrlich, ich durfte werfen, so fest ich konnte, ich durfte mich heimtückisch von hinten anschleichen, und ich durfte sogar erst im letzten Moment »Da kommt was!« rufen – er hat sie immer gefangen und dabei auch noch gelacht. Ich wurde im Lauf der Zeit auch ganz gut. Am Ende habe ich mich dann aber doch für Fußball entschieden und eine Weile die Jugendspieler-Laufbahn durchgezogen, bis ich schließlich zusammen mit dem kompletten Mittelfeld der FC Lichterfelde B-Jugend radikal auf Alkohol, Drogen und Partys umgesattelt habe. Na ja.
    Jedenfalls, einem Mann, dem man sein halbes Leben lang prall gefüllte Schultaschen an den Kopf geworfen hat, dem schenkt man keine aufblasbaren Fernsehtürme und keine Adidas Gazelle Sneaker. Nein, irgendwie wird das so nichts. Wenn ich nicht wenigstens bei Wonderwarez-Trödel dieses spottbillige, fast komplette WM-1982-Klebealbum für mich entdeckt hätte, wäre meine Laune jetzt tief im Keller.
    Etwas zum Thema »Da kommt was!« wäre ideal. Ha, vielleicht… ja, einen Versuch ist es wert. Ich drehe um und schlüpfe in den Buchladen, an dem ich gerade vorbeigelaufen bin.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Gibt es zufällig ein Buch, das Da kommt was! heißt?«
    »Nicht dass ich wüsste, aber ich schau mal im Computer… Ah ja, hier: Da kommt was von Susanna Brinkelbaum, Liebesroman, Rosa Rose Verlag, 2004. Könnte ich bis morgen bestellen.«
    »Hm, was anderes mit dem Titel gibts nicht?«
    »Ich sehe hier nichts. Kennen Sie vielleicht den Autor?«
    »Nein. Egal. Ich schau mich noch ein bisschen um.«
    Nachdem ich die Sportbücher inspiziert habe, bleibe ich am Reclam-Regal hängen und studiere die Buchrücken. Weia. Ich
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