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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher
Autoren: Matthias Sachau
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ob du ihm damit sagen willst, dass er eine Saufnase ist.«
    »Mjam.«
    »Na ja, das Geschenk sollte aber irgendwie auch was mit mir zu tun haben.«
    »Lad ihn doch einfach in ein gutes Restaurant ein.«
    »Ach weißt du, mein Vater ist irgendwie nicht so der Typ für gute Restaurants. Der kommt mit den Kellnern nicht klar.«
    »Schade… Mmh, wirklich ein Freudenfest für den Gaumen heute.«
    Manchmal könnte man glatt vergessen, dass Tobi über seine gewaltigen Verdauungskapazitäten hinaus auch noch andere Qualitäten hat. Zum Beispiel den Spontanhumor eines jüdischen New Yorker Stand-Up-Comedians und den Spieltrieb eines hyperaktiven Achtjährigen. Und dass er nicht nur beim Essen, sondern auch beim Comics Sammeln und beim Computerspielen und, ja, eigentlich bei allem, was er so macht, zum Suchtverhalten neigt. Ach ja, und nicht zu vergessen, dass er Pharmazie studiert, was der Sache mit dem Suchtverhalten natürlich eine etwas bedrohliche Note gibt.
    »Sag mal, da in deiner Tüte, das ist doch nicht etwa ein 82er-WM-Album?«
    »Doch, hab ich gerade bei Wonderwarez gekauft.«
    »Wie niedlich. Schau mal, das Cover. Grün-blauer Farbverlauf und gelb als Akzentfarbe. Das war damals absolut Avantgarde.«
    Gonzo krault sich den Kinnbart und blättert.
    »Hm, Hrubesch fehlt.«
    »Was? Deswegen war es also so billig.«
    »Der hat dich betrogen.«
    »Na komm, Rossi ist drin, Zico, Platini…«
    »Vielleicht finden wir einen Hrubesch bei eBay.«
    »Gibts doch nicht, schon wieder leer der Teller.«
    Tatsächlich, Tobi ist fertig. Obwohl er zwei Portionen, Extra-Beilage und zwei Nachtische hatte.
    »Haut mal rein. Ich hab gleich mein Anorganische-Chemie-Seminar.«
    »Puh, ich schlafe schon ein, wenn ich das Wort höre.«
    »Wenn du nicht so einen erzkonservativen Drogengeschmack hättest, würdest du das jetzt nicht sagen.«
    Gonzo und ich essen auf, und wir gehen. Die Touristengruppe starrt uns hinterher und tuschelt was von Brecht. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Stücke geschrieben hat, in denen junge Männer mit grünen Gesichtern vorkommen, aber wer weiß.
    »Bis heute Abend dann.«
    »Und viel Spaß beim Drogen designen.«
    »Na ja, ich bin noch ganz am Anfang.«
     
    *
     
    Ich verkrieche mich ins nächste Gebüsch und fange an, mir mit einem Papiertaschentuch die Schminke vom Gesicht zu wischen. Das dauert jedes Mal. Und meinen Taschenspiegel habe ich heute auch noch vergessen. Mist. Keine Ahnung, ob man noch was Grünes sieht. Muss ich gleich noch mal in einem Auto-Außenspiegel nachkontrollieren, bevor ich meinen Job antrete.
    Manchmal denke ich, dass ich Tobi und Gonzo viel zu oft sehe und mich die ganze Abhängerei mit ihnen vielleicht nicht so richtig weiterbringt. Aber Tobis Witze und Gonzos bescheuerte Ideen ergeben für mich zusammen so etwas, das ich wahrscheinlich Wellness nennen würde, wenn der Name nicht schon für den ganzen Avocado-Honigmilchbad-Wüstensandpeeling-Aromadampfsauna-Schnickschnack vergeben wäre. Abgesehen davon, dass wir drei kaum Geld haben und gerade solo sind, könnte es von mir aus immer so weitergehen.
    Und für gelegentliche Einflüsse von außen sowie Hilfe in Notlagen haben wir Francesco und Hendrik. Das heißt, nein, ab morgen nicht mehr Hendrik, sondern Reto. Aber der kann bestimmt auch was. Schweizer können immer was.
    Als ich die Treppe zur U-Bahn runtergehe, höre ich eine vertraute Stimme.
    »Haste maln Euro oder fünfzig Cent… ach, du bists, Krach.«
    Punk-Erwin. Auf seinem Stammplatz. Einer von den vielen Freunden, die man einfach schon immer kennt, aber ums Verrecken nicht mehr weiß, woher eigentlich.
    »Also Erwin, erstens finde ich, du solltest die Leute, die du anschnorrst, vorher angucken, und zweitens, schau mal auf die Uhr, deine Mama wartet schon längst mit dem Essen auf dich.«
    »Was? Scheiße! Das gibt Ärger.«
    »Warum stellst du dir nicht den Wecker an deinem Handy?«
    »Du, ich hab letzte Woche ein iPhone gekriegt, und damit komm ich überhaupt nicht klar.«
    »Dann kauf dir ne Armbanduhr.«
    »Zu spießig. Tschüss… Ach, morgen ist bei euch Hendriks Abschiedsparty, oder?«
    »Ja.«
    Wie sich das immer herumspricht.

Kunstkiste
     
    Zurzeit verdiene ich mein Geld als Museums-Aufpasser im Martin-Gropius-Bau. Klingt ein bisschen erbärmlich, aber man muss das positiv sehen. Wenn man später berühmt ist, kriegt man mit solchen Geschichten immer tolle Lacher in den Talkshows.
    Und ein Bein ausreißen muss ich mir dabei auch
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