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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher
Autoren: Matthias Sachau
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dass Francesco Rechtsanwalt ist.
    Der ist übrigens auch so eine Marke für sich. Professionell und hochseriös während der Arbeit, aber sobald er aus seiner Kanzlei rauskommt, verwandelt er sich in eine Klischee-Tunte, dass sich die Balken biegen. Ich staune stets aufs Neue, wie er dann selbst bei den abseitigsten Gesprächsthemen immer wieder sofort einen sexuellen Bezug findet. Besonders lustig war es, als wir neulich Autofrickler zu Besuch hatten, die sich über Dinge wie Zylinderkopfdichtungen und obenliegende Nockenwellen unterhielten.
    Leider wohnt Francesco schon seit Jahren eigentlich bei seinem Freund Stefan und benutzt sein WG-Zimmer nur noch gelegentlich. Ob aus alter Verbundenheit, Nostalgie oder als exzentrisches Hobby – keiner weiß es genau…
    »Äh, Oliver.«
    Da kommt Dr. Grobe, mein Chef.
    »Oliver, sagen Sie, könnten Sie ausnahmsweise heute die letzte Stunde ein bisschen im Lager aushelfen? Es ist wie verhext. Alle sind krank. Ich weiß schon, das ist eigentlich eine Zumutung…«
    »Kein Problem, Herr Dr. Grobe.«
    »Oh, großartig. Es ist auch wirklich nur eine Ausnahme. Versprochen. Wiedersehen… Ach, äh, und Sie haben da grüne Farbe hinter dem rechten Ohr.«
    Schon lustig. Dr. Grobe denkt tatsächlich, dass er mir mit Lagerarbeit was Schlimmes antut. Dabei bedeutet eine Stunde schwere Sachen rumschleppen für mich, der ich hier schon seit Stunden nichts anderes mache, als sich den Po wundzusitzen, mehr Wonne als Whirlpool, Ganzkörpermassage und Drei-Sterne-Restaurant zusammen. Vielleicht hat dieser Tag ja doch noch Steigerungspotential…
    Francescos Name passt übrigens auch nicht so richtig zu ihm. Klingt irgendwie nach schwarzen Locken, dunklem Teint, feinem Gesicht und italienischem Akzent. Die Wahrheit ist aber: polierte Glatze, hellblonder Haarkranz, kräftige Statur, hanseatischer Dialekt und einfach nur Ossi-Eltern, die wenigstens im Namen ihres Sohnes einen Hauch von Mittelmeer erhaschen wollten. Nicht einmal der ausgesprochen seltsame Kontrast zu seinem Nachnamen »Krawanke« konnte sie davon abhalten.
    Insgesamt ist meine WG schon ein ziemlich merkwürdiger Haufen. Objektiv betrachtet passen wir überhaupt nicht zusammen. Nehmen wir nur mal unsere Computer: Gonzo schwört als Grafiker auf Mac, Tobi dagegen auf PC, weil da mehr Spiele laufen, und ich sitze zwischen allen Stühlen und bin froh, wenn meine alte Windows-Pleistozän-Schleuder überhaupt läuft. Immer wenn sie das nicht tut, hüpft Gonzo im Kreis um mich herum und stößt Triumphschreie aus. Stürzt dagegen Gonzos Mac ab, rennt Tobi den Flur rauf und runter und brüllt »Ha, ihr seid auch nicht besser! Ha, ihr seid auch nicht besser!« Das alles wäre nur halb so schlimm, wenn wir nicht unser beschissenes gemeinsames Netzwerk mit gemeinsamem Internetanschluss und gemeinsamem Drucker hätten und nicht jedes Mal, wenn was nicht funktioniert, ein schrecklicher Krieg zwischen Tobi und Gonzo ausbräche, ob die PCs oder der Mac dran schuld sind. Francesco vermeidet es grundsätzlich, seinen Laptop in unsere WG mitzubringen. Und wenn es doch mal sein muss, hüllt er ihn in Stanniolpapier ein, damit er unter keinen Umständen Tuchfühlung mit unserem Netzwerk bekommt, weil er darin alle Viren der Welt in dreifacher Ausführung und noch dazu den Teufel persönlich vermutet.
    In punkto Fußball sind wir ebenfalls ein komplettes Desaster. Bei Tobi erscheinen rote Herzen in den Augen, wenn er vom HSV spricht, und glühende Messer, wenn er von Bremen hört. Bei Gonzo ist es genau umgekehrt. Ich halte es mit Hertha, was wiederum glühende Messer bei Tobi und Gonzo hervorruft. Der Einzige, der noch mehr Hass auf sich zieht, ist Francesco, der Fußball nicht ausstehen kann. Als kleiner Lichtblick ist jetzt wenigstens Hendrik mit seinem ewigen Hansa Rostock weg. Trotzdem, mit der Energie, die wir pro Saison verbrauchen, um uns gegenseitig in Fußballangelegenheiten zu dissen, könnte man ohne weiteres ein Jahr lang das ganze Haus heizen.
    Schon fast erstaunlich, dass es wenigstens ein Fußballthema gibt, bei dem wir uns alle einig sind: Filippo Inzaghi. Ja, dieser schon etwas betagte Stürmer vom AC Mailand. Sehr beeindruckende Karriere: Italienischer Meister, Champions-League-Sieger, über fünfzig Länderspiele, sensationelle Torquote und so weiter. Sein mit Abstand bester Wert ist aber die Anzahl seiner herausgeschundenen Freistöße und Elfmeter. Klar, irgendwie ist an fast jedem italienischen Fußballer ein guter
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