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Kaltduscher

Kaltduscher

Titel: Kaltduscher
Autoren: Matthias Sachau
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hier seit Jahr und Tag jeden Freitag und wissen nichts voneinander als unsere Namen und dass Piotr einen verdammt harten Schuss hat. Das ist immer so bei Parkmannschaften. Wozu reden, wenn man einen Fußball hat?
    Um die Teams festzulegen, brauchen wir gerade mal drei Sekunden, und schon geht es los. Leider ist Arne in der anderen Mannschaft. Das ist hart. Arne kann nämlich nur zwei Dinge: Geheimdienstserver hacken und Fußball spielen. Aber die kann er beide richtig gut. Ich muss rennen wie ein Windhund und sauge die um diese Zeit noch angenehm laue Sommerluft bis in die hintersten Winkel meiner Lunge ein.
    »Besser decken, tausendmal gesagt!«, schreit Fatmir. Er hat recht, dieser Querpass hätte niemals ankommen dürfen. Aber Fatmir schreit immer »Besser decken, tausendmal gesagt!«, auch wenn er gefoult wurde oder wenn er den Ball haben will. Irgendwie ist das der einzige deutsche Satz, den er kann.
    Wir spielen immer anderthalb Stunden ohne Pause. Ein Glück, dass es diesen Termin gibt. Ohne Fußball würde es mit Arnes Gesundheit rapide bergab gehen. Ich hätte ihn wirklich niemals mit Micha zusammenziehen lassen dürfen.
    Mein Handy summt in meiner Hosentasche. Mist, ich muss Arne im Auge behalten. Nur mal kurz gucken… Caio? Der weiß doch, dass wir um diese Zeit spielen. Muss wirklich was Wichtiges… ha, denkste, Arne. Ich kenn dich doch. Immer wenn du die Zunge aus dem linken Mundwinkel streckst, willst du mich tunneln. So, der Ball gehört mir. Wohin damit? Schönen langen Pass in den Lauf von Göktan – und Tor! Jawoll.
    »So gäht!«
    »Brrravo!«
    »Besser decken, tausendmal gesagt!«
    Caio war früher in der gleichen Klasse wie ich. Ihn sehe ich etwas öfter als Arne. Das liegt vor allem daran, dass wir geschäftlich miteinander zu tun haben. Ich bin nämlich Schauspieler. Gut, meine Karriere ist noch ziemlich am Anfang. Eigentlich gab es bis jetzt nur zwei Stationen: Fünf Jahre Schülertheatergruppe Immanuel-Kant-Gymnasium, und seitdem vermittelt mir Caio, der nach dem Abi einen kleinen Künstlerdienst aufgebaut hat, gelegentlich Rollen in Werbespots und unbedeutenden Fernsehproduktionen, meist ohne Text. Er ist schon wirklich aufgeweckt, das muss man ihm lassen. Er findet sogar Engagements für Leute, die nicht mal »Alle meine Entchen« ohne Stottern vorsprechen könnten. Hauptsache, der Typ passt.
    Kawumm!
    Nein, Piotr darf man wirklich nicht frei zum Schuss kommen lassen. Der Zaun hinter dem netzlosen Tor hat eine Beule gekriegt.
    Am Anfang waren Caios Jobs für mich nur Spaß, aber seit ich neulich drei Sätze in dem Kinderfilm »Ich glaub, ich spinne, der Lehrer macht blau!« sprechen durfte, habe ich Blut geleckt. Ich will das jetzt auf ganz andere Füße stellen. In gut einer Woche mache ich die Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Ab dann geht es steil bergauf. Während des Studiums werde ich mich vielleicht noch ein wenig mit Caio-Engagements über Wasser halten, aber irgendwann werde ich das nicht mehr nötig haben. Dann werden wir uns natürlich auch seltener sehen, aber das ist okay.
    So. Spiel vorbei. Unentschieden. Ein Glück, dass wir uns immer so früh treffen. Inzwischen ist es so heiß, dass man jetzt das Gerenne auf keinen Fall mehr anderthalb Stunden durchhalten würde.
    »Tschüss.«
    »Bies näxte Mall.«
    »Besser decken, tausendmal gesagt!«
    Wir gehen los. Ein paar Meter weiter sitzen Amelie und Julia, wie jeden Freitag um diese Zeit, auf ihrer Studier-Parkbank und lernen Tiermedizinkram. Besser mal nicht stören, denke ich mir, aber Amelie hat uns gesehen und winkt.
    »Hallo! Na, kräftig gerannt?«
    »Och, ja. Bisschen Sport halt.«
    Sie lächelt und mein Magen macht komische Dinge. Ob Amelie überhaupt weiß, wie sie lächelt?
    »Du, ich wollte dich schon die ganze Zeit was fragen.«
    Sie sieht sich um, als ob sie Angst hat, ertappt zu werden. Ich weiß schon, was jetzt kommt.
    »Glaubst du, Tobi will was von Miriam? Ich seh die jetzt immer zusammen.«
    »Nein, glaub ich nicht. Die sammeln nur beide Manga-Comics.«
    »Ach so, dann bin ich ja beruhigt.«
    »Wieso? Miriam ist doch nett.«
    »Die wär nichts für ihn.«
    Während wir reden, sitzt Julia stumm daneben, guckt, wie ihre braungebrannten Füße im Gras herumspielen, und nestelt an dem Lederband herum, das sie um den linken Knöchel trägt. Nur hin und wieder sieht sie hoch und mustert Arne und mich mit halb belustigten, halb verächtlichen Blicken. Das hat aber weder was mit
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