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Kalt kommt der Tod (German Edition)

Kalt kommt der Tod (German Edition)

Titel: Kalt kommt der Tod (German Edition)
Autoren: Hannes Sprado
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ihm beim Sturz aus der Hand gefallen. Packer kickte es weg.
    »Vielleicht hätte ich dir sagen sollen, dass es diesmal kein Schaukampf wird«, meinte Packer. »Brauchst du einen Arzt?«
    Kokina rotzte verächtlich auf den Teppich und hielt sich die schmerzende Rippe, Anstalten, wieder auf die Beine zu kommen, machte er keine.
    In der Suite war es eiskalt. Packer schloss das Fenster, er ging zum Sofa und fragte das Mädchen, ob alles in Ordnung sei.
    »Wie ist dein Name?«
    »Geht dich nix an«, sagte sie und kniff die geröteten Augen zusammen.
    »Dann pass mal auf, Fräulein Geht-dich-nix-an: Du rührst dich nicht von der Stelle, bis die Polizei hier ist. Die wird dir garantiert ein paar unbequeme Fragen stellen.«
    Er half Big Kokina auf die Beine und bugsierte ihn zu einem Sessel.
    »Tut weh, hm?«
    »Wie ein Eselstritt«, keuchte Kokina.
    »Wo der Verstand aufhört«, sagte Packer, »beginnt die Dummheit. Und Dummheit kann manchmal schmerzhaft sein.«
    »Was redest du da?«
    »Altes vietnamesisches Sprichwort.«
    »Erspar mir deine Volkstümelei.«
    Packer wählte die Nummer der Rezeption.
    »Kristin? Ich brauch hier ein bisschen Hilfe.«
    Er schob den Bambus in die Tasche und dachte beim Anblick des zitternd dasitzenden Super-Catchers: Nicht übel für einen vom Boot.
    Das Boot ließ Packer niemals los. An das Boot hatte er Erinnerungen, die er anfassen konnte und von denen er schreiend aufwachte.
    4
    Drei Tage nach den Vorkommnissen, die in die hansestädtische Folklore von Bremen eingingen, vertrieb sich Packer den Nachmittag mit einer hirnerweichenden Nachmittags-Talkshow: fetten Pornostars mit Orgasmus-Problemen, Hartz-IV-Abräumern, traumatisierten Swingern und gepiercten Kampflesben. Er verspürte keine Energie, in sein Büro zu gehen, um sich mit einem neuen Fall zu befassen. Morgen vielleicht.
    Seine Wohnung lag über der Pizzeria »Mirabella« im zweiten Stock eines Mietshauses in Bremen-Gröpelingen, dem ehemaligen Hafenarbeiterviertel im Westen der Stadt. Links ein türkischer Supermarkt, rechts die Hafenapotheke, auf der anderen Straßenseite ein Lampengeschäft, daneben ein Fahrradladen. Im Treppenhaus roch es nach verbrannten Peperoni und nassen Schuhen. Nicht dass es Packer etwas ausgemacht hätte.
    Seine Wohnung war klein. Leute, die zum ersten Mal dort waren, bezeichneten sie unfehlbar als gemütlich. An zwei Wohnzimmerwänden reichten Bücherregale aus massivem Teakholz vom Fußboden bis zur Decke. Sie enthielten Dutzende Kriminalromane von amerikanischen Schriftstellern, darunter mehrere Polizei- und Detektiv-Storys seiner Lieblingsautoren: Elmore Leonard, Robert B. Parker, James Crumley, George Pelecanos und Dennis Lehane.
    Die Regale an der dritten Wand beherbergten seine umfangreiche Schallplattensammlung aus der Vinyl-Ära, ausschließlich Jazz. Auf seinem alten Technics-Plattenspieler und dem Verstärker von Pioneer hörten sich die Stücke von John Coltrane und Chet Baker authentischer an als auf jeder CD, selbst wenn die Platten kratzten und rauschten. Geräusche wie von einem fernen Stern, wenn man sie hörte, waren sie schon irgendwie tot und schwebten wie ein Nachhall durch die Zeit, und genau das machte ihren Reiz für Packer aus.
    Über der Stereoanlage hing ein gerahmtes Foto der Jazz-Sängerin Billie Holiday, daneben ein verblichenes Farbposter mit einer Straßenszene von Saigon: Rikschas, die dicht an dicht durch die engen Straßen fuhren, schlanke Frauen in Seidenkleidern und mit breiten Strohhüten, die sie vor der Sonne schützten.
    Die Sympathie für sein verlorenes Land lag tief in seinen Genen verborgen, doch jetzt war er Deutscher, wenn auch nicht ganz freiwillig.
    In den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts träumten viele Südvietnamesen davon, Deutsche zu sein, ins Land von Überfluss und Freiheit zu flüchten, weit weg von den siegreichen Kommunisten und ihren neuen Spielregeln. Tausende Flüchtlinge bezahlten den Exodus mit dem Tod auf dem Ozean.
    Doch er, Phong Packer, hatte die Tortur überlebt.
    Nun saß er wie ein Gefangener in seiner Wohnung fest, denn vor dem Haus schoben amerikanische und russische Sport-Paparazzi Doppelschichten. Sie waren verrückt nach ihm, sie wollten ein Foto von dem Kerl, der es geschafft hatte, Big Kokina, den russischen Bullen, ins Krankenhaus zu befördern, ohne selbst einen Kratzer abzukriegen.
    Die Polizei hatte den Zwischenfall im Hotel »Park Central« zu den Akten gelegt, weil sich die junge Prostituierte
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