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Kalt kommt der Tod (German Edition)

Kalt kommt der Tod (German Edition)

Titel: Kalt kommt der Tod (German Edition)
Autoren: Hannes Sprado
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1
    Er war so gut wie tot.
    Bis auf die Formalitäten.
    2
    Hinter einer Schneedüne schleppten ihn drei große Kerle zu ei nem rostigen Frachtcontainer, der wie ein notgelandetes Flugzeug in der Eiswüste von Spitzbergen kauerte. Zwei von ihnen, einer auf jeder Seite, hatten ihn unter den Armen gepackt, der dritte, mit einer Taschenlampe in der Hand, ging voraus. Im flackernden Licht der Lampe wirkte beinahe alles lebendig.
    Die Männer sahen in ihren langen Uniformmänteln wie Gespenster aus, ihre Stiefel knirschten auf dem gefrorenen Boden. Sie hatten es eilig.
    Das Letzte, was er in seinem benommenen Zustand sah, wa ren weiße Flocken, die vor dem Schwarz des Himmels wirbelten, als wären es Splitter, die vom Meißeln an Wolken herabfielen.
    Dann polterte die Tür des Containers hinter ihnen zu.
    Von der nahen Küste fegte der Nordwind ungebremst über das Land und peitschte wie ein Seil um den Container, der von einem knochenfarbenen Schneekragen umgeben war. Drinnen roch es nach Öl und Schweiß und Desinfektionsmitteln.
    Sie legten ihn auf einen blanken Holztisch und zogen ihn bis auf die Boxershorts aus. Sie schnallten seine Arme und Beine mit Lederriemen fest. Als sie mit ihrer Arbeit fertig waren, gingen sie wortlos hinaus.
    Bis auf einen, der bei ihm blieb.
    Er tauchte wollene Handschuhe und Socken in einen Eimer, wartete, bis sie sich voll Wasser gesogen hatten, und streifte sie ihm über, zuerst die Socken, dann die Handschuhe.
    Nach kurzer Zeit erstarrten seine Hände und Füße zu gefühllosen Klumpen. Das Blut in seinen Adern fühlte sich an wie geeister Saft.
    »Der Kommandant wird sich persönlich um dich kümmern«, hörte er eine raue Stimme neben seinem Ohr sagen.
    »Er weiß, wie man einem Menschen Schmerzen zufügt, auf diesem Gebiet ist er ein wahrer Künstler. Erzähl ihm, was du weißt, und erzähl es ihm schnell, sonst wird er seine speziellen Methoden an dir ausprobieren, und ich kenne niemanden, der danach weiterleben wollte.«
    3
    Big Kokina war gerade dabei, eine Nutte aus dem Hotelfenster zu werfen, als die Tür zu seiner Suite aufflog und – nicht möglich! – ein hünenhafter Vietnamese mit einem grünen Bambuspflock in der Hand auftauchte.
    »Das lässt du besser bleiben«, sagte Phong Packer und rollte den polierten Bambus in seiner Hand hin und her. Oben und unten ragte ein stumpfes Ende heraus.
    Das schmächtige Mädchen in Kokinas Klammergriff, keine zwanzig, blutete aus der Nase, sie schrie und zappelte, schlug Kokina die Nägel ins Gesicht und ratschte darin herum.
    Kokina ließ es geschehen, fragte: »Wer sagt das?«
    »Jemand, der es lieber ruhig angeht, aber wenn du Ärger willst, bin ich dir gern behilflich«, antwortete Packer.
    »Auf diese Tour wirst du das nicht unbedingt erreichen«, sagte Kokina und sah Packer an, als ob er darüber nachdachte, ihn zu kaufen. Also ging Packer einfach weiter und versuchte dabei, jede schnelle Bewegung zu vermeiden.
    Kokina musterte den grünen Bambuspflock, in seiner Miene lag ein Ausdruck von Erstaunen.
    »Gediegen«, meinte er.
    »Dein Name ist Big Kokina?«
    »Hm.«
    »Für mich siehst du gar nicht wie ein Big Kokina aus.«
    Die Kleine zwischen Kokinas Pranken hörte auf zu zappeln. War das Angst in ihrem Blick, oder bloß Staunen?
    Phong Packer, der Sicherheitschef des »Park Central«, war kurz nach Mitternacht von der Rezeption angerufen worden. Gäste im Ostflügel hatten die verzweifelten Schreie einer Frau gehört, das Splittern von Glas, das Krachen von Möbeln.
    Jetzt stand er der Ursache des Spektakels gegenüber: Big Kokina, ein russischer Ex-Catcher mit Wohnsitz in Dallas, Texas, der es in der amerikanischen Wrestling-Liga zum Helden gebracht hatte und in seinen besten Tagen verehrt worden war wie einst Hulk Hogan, die Legende.
    Nachmittags beim Einchecken hatte Packer ihn beobachtet, was er zu sehen kriegte, war ein Typ der Schwarzenegger-Baureihe mit blank geputzten Cowboystiefeln in einem Hawaiihemd, das über dem Bauch ziemlich spannte. Sein Fu-Manchu-Bärtchen gewährte ihm gewisse mildernde Umstände.
    Am Abend eröffnete Big Kokina als Ehrengast mit dem Startschuss die Bremer Sixdays, was immerhin eine anständig honorierte Beschäftigung war für einen ehemaligen Weltmeister, der zwar immer noch gut im Saft stand, aber seine Karriere, seine Konten und seine drei Ehen mit Kokain und Prostituierten gründlich ruiniert hatte.
    Überall auf dem Boden der Suite glitzerten die Scherben einer Whiskyflasche. Lagavulin.
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