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Kalt kommt der Tod (German Edition)

Kalt kommt der Tod (German Edition)

Titel: Kalt kommt der Tod (German Edition)
Autoren: Hannes Sprado
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Hände an der weißen Schürze ab, die um ihre zarten Hüften geschlungen war.
    »Du willst weg?«
    »Für ein paar Tage, ja.«
    »Also kommst du zurück?«
    »Ich werde es versuchen.«
    »Und unser Essen?«
    »Leonora, du solltest in einer Abercrombie & Fitch-Anzeige leben, im Ernst. Meine Welt besteht aus Jazz, Lederjacken und selbst gedrehten Zigaretten, sie ist also ziemlich old-fashioned, aber in dieser Welt, da bin ich glücklich.«
    »Du gibst mir einen Korb?«
    »Ist anderen auch schon passiert.«
    Er gab ihr einen Kuss auf die Wange.
    »Das Talent zum Glücklichsein«, erwiderte Leonora, »ist wie das für Musik oder Tanzen, es ist einem einfach gegeben. Ein bisschen kann man dazulernen, aber du, Phong, wirst es darin nie zu wahrer Meisterschaft bringen. Es sei denn«, sie reckte sich und küsste ihn auf die Nase, »du hast mich an deiner Seite.«
    Sie verschwand im Restaurant, von wo das laute Gemurmel der Gäste und die Musik, jetzt von Paolo Conte, herüberdrangen.
    Für einen Moment kehrte sie zurück.
    »Komm wieder«, sagte sie, ihre verwundbare Schönheit angestrahlt vom Neonlicht über den Töpfen und Pfannen.
    »Tu ihr nicht weh«, sagte ihr Vater, als sie wieder weg war.
    »Das versuche ich ja gerade«, meinte Packer.
    Fünf Minuten später verließ er auf dem Motorroller die Hofeinfahrt. Er legte sich tief über den Lenker und machte sich ganz klein. Die Paparazzi hielten ihn für den Pizzaboten und ließen ihn passieren.
    Seine Lieferung befand sich hinten in der Box. Eduardo hatte ihm das Versprechen abgenommen, erst die Bestellungen auszuliefern, dann konnte er machen, was er wollte. Meinetwegen, aber zuerst die Pizze, capito?
    Durch die dunklen Straßen von Gröpelingen fuhr er zur ersten Adresse. Ihm gefiel Gröpelingen, dieser marode Stadtteil Bremens.
    Es war seine Art Gegend.
    8
    Eine halbe Stunde später stapfte Packer, niedergedrückt von schweren Wolken, aus denen es unablässig schneite, durch den Matsch zum Teerhof, einer durch Fußgängerbrücken mit dem Festland verbundenen Insel in der Weser, wo sich die Zentrale des Riesenberg-Konzerns befand. Aus Gründen, die wie ein Joch auf seine Schultern drückten, verachtete er beide, die Kälte und das Geld.
    Das Geld noch mehr.
    Eine abendliche Brise straffte die Fahne auf dem Dach der Reederei, sie flatterte und klatschte in ihren Drähten. Roter Schriftzug auf weißem Grund: O. C. Riesenberg Shipping Line, Bremen, Germany.
    Was sich hinter diesem Schriftzug verbarg, konnte jeder, den es interessierte, auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen nachlesen: eine auf allen Weltmeeren operierende Reederei mit fünfundachtzig Schiffen, eintausendachthundert Seefahrern und fünfhundertdreißig Angestellten in Bremen, Hamburg, Rotterdam, Wladiwostok, Shanghai, Yokohama, New York und Buenos Aires.
    Früher als die Konkurrenz hatte Riesenberg die zunehmende Bedeutung des Lastentransports für die Energiegewinnung erkannt und das Unternehmen in den letzten zwanzig Jahren vom wettbewerbsintensiven Containergeschäft konsequent auf Schwergut umgerüstet. Fast alle Schiffe der Riesenberg Shipping Line waren Spezialanfertigungen, gebaut auf den größten Werften in Japan, China und vor allem bei Hyundai in Südkorea.
    Die Riesenberg-Flotte beförderte gewaltige Reaktoren, Kabelrollen, Kompressoren, Tanks und Pipelines für Off-Shore-Anlagen, Bohrinseln und Raffinerien auf beiden Seiten der Erdkugel. Zu den Auftraggebern gehörten Shell, British Petroleum, Linde und viele andere Global Player der Energieversorgung. In den letzten fünf Jahren hatte sich der Umsatz verzehnfacht, und die Höhe des operativen Gewinns machte selbst ausgebuffte Wirtschaftsfachleute nachdenklich. Alle fünfzehn Monate fügte Riesenberg seiner Flotte zwei weitere Schwergutfrachter hinzu, und jedes Schiff war vom ersten Tag an voll ausgelastet.
    Kaum jemand wusste, mit welchem Geld er die Neuausrichtung des Konzerns finanziert hatte. In den Vorstandsetagen der Bremer Banken, wo Riesenberg im Verhältnis zu diesen gigantischen Investitionen allenfalls Kleinkredite laufen hatte, rätselten die Flanellmännchen ebenso über die wiedergewonnene Liquidität der Firma wie die Volksvertreter in der Bremer Bürgerschaft und im Senat. Die Konkurrenz, die Gift und Galle spuckte über den kometenhaften Aufstieg der einst mittelständischen Reederei, beobachtete mit Geieraugen das ungewöhnliche Wachstum. Es widersprach allen gängigen und gelernten Gesetzen des Marktes.
    Vor dem
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