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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz
Autoren: Keith Ablow
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Eine sehr schlechte Nachricht.«
    »Du schaffst es heute wieder nicht rechtzeitig zum Abendessen.«
    »Ich meine es ernst.« Ich holte tief Luft. »Es geht um den Mord.«
    »Ist ein Mord nicht immer eine schlechte Nachricht?«
    Ich schwieg.
    »Bist du noch dran?«
    Ich hielt am Straßenrand an. »Es ist noch schlimmer, wenn man das Opfer kennt«, antwortete ich. Stille. »Du kennst das Opfer?«
    »Wir beide kennen sie.« Ich wußte nicht, wie ich es anders ausdrücken sollte. »Die Frau, die ermordet wurde, ist Sarah Johnston«, sagte ich.
    »Nein ... Nein, das ist nicht wahr.«
    Der Drang, die Realität zu leugnen, wenn auch nur vorübergehend, ist ein bemerkenswertes Phänomen. »Es ist Sarah«, wiederholte ich. »Ich habe sie gesehen. Sarah ist tot.«
    »Mein Gott«, keuchte sie. »Wie ist es passiert?«,
    »Das wissen wir noch nicht genau. Ich bin gerade auf dem Weg zum Revier, um mehr zu erfahren.« Ich hörte Kathy schluchzen. »Kommst du allein klar?«
    »Ich kann es einfach nicht glauben.«
    »In der Arbeit wird bestimmt darüber getratscht werden. Ich wollte, daß du es von mir erfährst.«
    »Wann sehen wir uns?«
    »Nachdem ich bei der Polizei war, schaue ich bei dir im Krankenhaus vorbei.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    Ich legte auf und betrachtete die vorbeirasenden Autos.
    Wie würde ich mich fühlen, wenn ich einen Anruf erhielte?
    Wenn ich erfahren würde, daß Kathy ermordet worden sei? Doch ich verscheuchte dieses Bild rasch und trat das Gaspedal durch. Als ich um zehn im Revier ankam, hatte Emma Hancock bereits Sarahs Vater in San Francisco informiert. »Ich werde mich nie daran gewöhnen, es der Familie mitzuteilen, egal, wie oft ich es schon gemacht habe«, sagte sie. Sie saß an ihrem Metallschreibtisch undtippte die langen, roten Nägel von Daumen und Zeigefinger klickend aneinander. »Der Mann ist vor zwei Jahren Witwer geworden, und jetzt ist auch noch sein einziges Kind tot. Unter Tränen hat er mir erzählt, daß er sie eigentlich bald besuchen wollte, weil er sie seit einem Jahr nicht mehr gesehen hatte, und daß sie ja vielleicht noch leben würde, wenn er bloß früher gekommen wäre. Was sagt man zu einem Menschen, der fast alles "verloren hat, was ihm auf dieser Welt wichtig war? Wie soll ich denn das wissen?«
    Das war eine schwierige Frage. Emma Hancock ging voll und ganz in ihrem Beruf auf und war der erste weibliche Captain bei der Polizei unseres Bundesstaates. Es hieß, daß sie bald zur Polizeipräsidentin ernannt werden würde. Emma war über fünfzig und hatte braunes, kurzgeschnittenes Haar mit grauen Strähnen. Sie war unverheiratet und kinderlos, und offenbar bestand ihr einziges Hobby darin, Spendengelder für ihre Kirchengemeinde zu sammeln. »Sie wissen, daß Sie nichts wissen«, antwortete ich. »Das ist schon mal ein guter Anfang.«
    »Mag sein ... Sie sind mir eine große Hilfe, Doktor Freud. Ich fühle mich bereits viel besser.« Sie schüttelte den Kopf. »Da gibt es noch etwas, das ich einfach nicht begreife. Dieses Ungeheuer dort hinten in der Zelle will zwar unbedingt einen Mord gestehen, rückt aber nicht mit seinem wirklichen Namen heraus. Er bleibt eisern bei General William C. Westmoreland.«
    »Vielleicht belastet ihn Völkermord weniger als das, was er getan hat«, sagte ich.
    »Sehr tiefsinnig. Sie haben wohl in jeder Situation einen klugen Spruch auf Lager.« Emma Hancock stand auf und sah mir in die Augen. Sie war eine beleibte, kräftig gebaute Frau. Mit ihren eins acht undsechzig wirkte sie größer, als sie tatsächlich war. Als sie mich an der Schulter packte, tat es richtiggehend weh. »Keiner hier hat den 1 Fall Prescott vergessen. Ich ziehe Sie immer wieder hinzu, weil ich denke, daß es nicht allein Ihre Schuld war. Und weil Sie sich seitdem vernünftig verhalten haben. Aber ich gehe dabei ein Risiko ein.«
    Marcus Prescott war einer meiner ersten Fälle als Gerichtspsychiater gewesen. Der zweiunddreißigjährige Anwalt hatte eine Cheerleaderin von der Lynn Classical Highschool vergewaltigt. Als Prescott auf Unzurechnungsfähigkeit plädierte und behauptete, er könne sich nicht an den Übergriff erinnern, hatte ich ausgesagt, seine Symptome entsprächen denen einer multiplen Persönlichkeit. Prescott wurde für schuldunfähig erklärt, ins Bridgewater State Hospital eingewiesen und nach einer vierjährigen stationären Therapie von den Ärzten entlassen. Er fand die junge Frau, die inzwischen an der Brown University studierte,
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