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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz
Autoren: Keith Ablow
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hinweist, daß die Klinge nicht lang genug war, um tief einzudringen. Allerdings sind die Wundränder gerade und glatt und nicht schartig.« Er deutete mit dem Zeigestab auf mich. »Die Brüste haben wir nicht gefunden. Sie fehlen.«
    »Was ist mit der Mordwaffe? Habt ihr die entdeckt?«
    »Nein. Wahrscheinlich hat er sie auch vergraben.«
    »Vielleicht hat er sie auch aufgegessen.«
    Levitskys Zeigestab durchschnitt die Luft. Sein Gesichtsausdruck verriet, wie sehr ihm solche geschmacklosen Scherze in seinem Heiligtum zuwider waren. »Daß ich euch überhaupt in mein Labor lasse, ist eine reine Gefälligkeit«, meinte er. Er schwieg eine Weile und zeigte dann auf Sarahs Scheitel. »An dieser Stelle sehen wir einen Schädelbruch, hervorgerufen durch einen stumpfen Gegenstand und vermutlich die Todesursache.« Langsam ging er um den Tisch herum. »Außerdem haben wir zahlreiche Hautabschürfungen auf der Rückseite der Unterarme, was darauf hindeutet, daß das Opfer versuchte, die Schläge abzuwehren. An Armen und Schultern befinden sich parallel angeordnete, punktuelle Blutergüsse in den oberen Hautschichten, wie sie entstehen, wenn jemand kräftig gepackt wird.« Am unteren Ende des Tisches blieb er stehen und deutete mit dem Zeigestab zwischen Sarahs Beine. »Als mir die Leiche zur Autopsie vorgelegt wurde, war der Genitalbereich bereits rasiert. Es gibt Anzeichen dafür, daß noch vor kurzem Geschlechtsverkehr stattgefunden hat. In der Vagina und an der Scheidenöffnung wurden Spermareste sichergestellt«, erklärte er. »Allerdings weist nichts auf eine erzwungene Penetration hin.« Vom Instrumententablett neben dem Tisch nahm er eine riesige Schere. »Jetzt wird es ein wenig unappetitlich, meine Herren«, sagte er. »Ihr könnt bleiben oder gehen. Ich weiß nicht, was die Untersuchung der inneren Organe ergeben wird, aber es steht alles in meinem Bericht.«
    »Ich habe genug gesehen«, meinte ich. Ich hatte keine Lust zu beobachten, wie Sarah in Einzelteile zerlegt wurde. Außerdem brauchte ich eine Nase aus meiner Ampulle. »Ich schaue mir mal diesen Westmoreland an.«
    »Ich bleibe«, verkündete Malloy.
    Levitsky warf ihm einen Blick zu. »Interessieren Sie sich für Pathologie?«
    »Nur für Beweise.«
    »Schon gut.« Levitsky sah mich an und verdrehte die Augen. »Bitte richte Kathy von mir aus, daß es mir um ihre Freundin leid tut.«
    »Wird gemacht.« Auf dem Weg zur Tür drehte ich mich noch einmal um. »Übrigens, Kevin, es sind hundertachtzig«, sagte ich. »Was ist hundertachtzig? Wovon reden Sie?«
    »Von meinem Honorar. Ich verlange hundertachtzig Dollar pro Stunde. Schließlich soll mir niemand vorwerfen, daß ich mich zu billig verkaufe.« Mit diesen Worten ging ich hinaus.
    Rasch holte ich die Ampulle aus dem Handschuhfach, schüttete ein wenig Koks auf meine goldene Visakarte und schnupfte es. Dann rieb ich mir noch eine Prise aufs Zahnfleisch. Ein paar Sekunden später wurde es taub, und kurz darauf war meine Angst verflogen. Ich sah in den Spiegel, band mir einen Pferdeschwanz und fuhr zum Polizeirevier. Mir graute davor, Kathy die Nachricht zu überbringen. Sie hatte Sarah vor einem Jahr kennengelernt, als eine junge Mutter in der Wöchnerinnenstation von Stonehill eine schwere Depression bekommen hatte und in die psychiatrische Abteilung verlegt werden mußte. Die beiden Frauen hatten sich auf Anhieb gut verstanden. Beide waren sie intelligent und gutaussehend, dreißig Jahre alt und lebten mit älteren Männern zusammen, die der Ehe abgeschworen hatten. Ich war Kathys Problem. Sarahs Problem hieß Ben Carlson und war Chefarzt in der Abteilung für Herzchirurgie. Wir vier hatten den Großteil unserer Freizeit zusammen verbracht, bis Carlson aus heiterem Himmel – und allein – nach Texas gezogen war, um dort an der Universität zu unterrichten.
    Und es gab noch einen Grund, warum ich befürchtete, daß Kathy sich die schlechte Nachricht besonders zu Herzen nehmen würde. Sie hatte bei einem Wohnungsbrand ihre kleine Schwester verloren. Die Erinnerung an die Tragödie ihrer Kindheit steckte ihr immer noch in den Knochen und schien sie mit jedem Todesfall im Bekanntenkreis stärker zu belasten. Ich drückte auf die automatische Wahlvorrichtung meines Autotelephons.
    »Hallo«, meldete sich Kathy.
    »Ich bin's.«
    »Schade, daß du nicht hier bist. Ich komme gerade aus der Dusche›
    »Ich stellte mir vor, wie sie naß auf der Bettkante saß.
    »Kathy, ich habe eine schlechte Nachricht.
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