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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie
Autoren: Gwen Bristow
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weinen, weil ich weggehe«, sagte er, »das macht mich sehr glücklich. Ich gehe nicht gern fort, aber da ist eine Stimme, der ich folgen muß. Ich bin froh, daß sie John haben. Sie werden glücklich sein, Garnet. Und ich werde immer an euch denken.«
    »Kommen Sie wieder, Nick, sobald Sie können«, sagte Garnet. Der Russe nickte, und John ergriff Garnet am Arm und zog sie beiseite.
    »Er wird noch mit Florinda allein sprechen wollen«, flüsterte er. Garnet sah über die Schulter zurück. Nikolai und Florinda waren eben im Begriff, den Barraum zu betreten. John stocherte im Feuer herum. »Ich werde ihn sehr vermissen, Garnet«, sagte er leise.
    »Ich weiß«, antwortete sie, »mehr als irgendeiner von uns.«
    »Er ist der beste Mann, den ich je kennenlernte«, stellte John fest. Er legte den Feuerhaken aus der Hand, umfaßte Garnet in der Taille und zog sie zu sich heran. »Gut, daß ich dich jetzt habe«, sagte er. »Sobald Nikolai fort ist, gehe ich zum Alkalden hinüber.«
    »Möchtest du Nick nicht ein Stück Weges begleiten?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Man soll einen Abschied nicht unnütz verlängern. Ein kurzer Schmerz ist besser als ein langer.« Er nahm einen Bleistift und ein Blatt Papier aus der Tasche. »Anstatt hier herumzustehen und traurige Gesichter zu machen, wollen wir die Zeit nützen«, sagte er. »Der Alkalde wird wahrscheinlich alles Mögliche von mir wissen wollen: Geburtsdatum und Ort, beispielsweise, Bürgerschaft deiner Eltern und ähnliche Dinge.«
    »10. Januar 1826«, sagte Garnet, »New York City. Vater und Mutter sind Bürger der USA und in den Staaten geboren.«
    Er fragte sie weiter aus, ruhig und sachlich. »Auch über deine erste Ehe wird der Alkalde das Nötigste wissen wollen«, sagte er.
    Sie gab Auskunft und er schrieb. Er ist klug, dachte Garnet. Es liegt ihm nicht, trauernd herumzustehen. Er muß immer handeln. Sie sah nach der Tür zum Barraum. Die Tür war geschlossen.
    Florinda stand mit Nikolai an der Theke. Der Raum hatte jetzt, da er leer war, ein sonderbares Aussehen. Durch die Spalten und Ritzen der Fensterläden drangen Sonnenstrahlen herein und schufen eine Art leuchtendes Zwielicht. Florinda schien es, als sei plötzlich alles ganz anders geworden. Garnet würde nicht mehr neben ihr an der Bar stehen, Nikolai würde weit fort sein und sie selbst würde auch nicht lange mehr hier weilen, sondern nach San Franzisko ziehen. Alles war jäh verändert. Nun gut, sie akzeptierte es. Es lag ihr nicht, Vergangenem nachzutrauern. Alles im Leben war ständiger Wandlung unterworfen. Und wie trist wäre die Welt, wenn sich nichts in ihr änderte! Nikolai geht nach Rußland, dachte sie; sie hatte nur eine nebelhafte Vorstellung davon, wo Rußland lag. Nikolai würde nie mehr hier vor ihr an der Bar stehen. Vielleicht, wenn er eines Tages wieder nach Kalifornien käme, würde er sie in San Franzisko finden. Aber vielleicht würde er überhaupt nicht zurückkommen. Hölle und Frikassee! Ich werde sentimental, dachte Florinda. Ich habe doch weiß Gott genug Leuten im Leben ›Auf Wiedersehen‹ gesagt. Man muß immer nur vorwärtsblicken; das ist die einzige Möglichkeit, mit dem Leben fertig zu werden. Sie wandte sich Nikolai zu und wurde sich jetzt erst bewußt, daß sie beide schon einige Minuten hier standen, ohne daß einer bisher ein Wort gesagt hätte. Nikolai hatte die Ellbogen auf die Theke gestützt und lächelte in seiner bekannten Manier auf sie herab. Er sieht verdammt gut aus mit seinem blonden Haar und seinen veilchenblauen Augen, dachte sie, die Frauen in St. Petersburg werden verrückt, wenn sie ihn sehen. Es war merkwürdig, so plötzlich mit ihm allein zu sein. Seit jener Nacht, da sie ihm die Geschichte ihres Töchterchens Arabella erzählte, hatten sie nur wenig miteinander gesprochen. Sie stieß ein kleines Lachen aus und sagte:
    »Was denkst du, Nick?«
    »Ich denke über dich nach«, antwortete Nikolai. »Ich sehe, wie hübsch du bist, und ich denke, du wirst eines Tages so glücklich werden, wie du es verdienst.«
    »Wieso?« sagte Florinda. »Ich denke, ich bin glücklich genug. Mindestens bin ich nicht unglücklich.«
    »Nein«, lächelte Nikolai, »du bist wohl nicht unglücklich, aber du bist auch nicht so glücklich, wie ich möchte, daß du es wärest. Ich will nicht mehr reden von den Dingen, die du mir erzähltest. Ich glaube nur, jetzt, wo du den Mut hast, diese Dinge zu sehen, wo du sie nicht mehr vor dir selber verbirgst, wirst du
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