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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie
Autoren: Gwen Bristow
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nördlichste Provinz Mexikos.« Er folgte mit den Augen den Einzeichnungen und schüttelte den Kopf. »Die Küstenlinie ist falsch gezeichnet«, sagte er, »sie verläuft anders. Den Hafen von San Diego haben sie zu weit nach Norden verlegt und die San Franzisko Bai haben sie nur durch einen Einschnitt bezeichnet. In der Tat, es ist alles falsch.«
    Sie machte eine ungeduldige Bewegung: »Das verstehe ich nicht. Warum wird es nicht richtig gemacht?«
    Er zuckte die Achseln: »Vermutlich, weil sie es nicht besser wissen. Nur sehr wenige Amerikaner haben Kalifornien mit eigenen Augen gesehen.«
    »Das scheint so«, sagte sie seufzend. »Wie ist es: Sie wollten mir etwas über den Präriehandel erzählen. Ich fürchte, der Globus wird mir nicht viel dabei helfen, aber ich will trotzdem versuchen, mit Ihnen Schritt zu halten. Bitte, erzählen Sie.«
    »Was möchten Sie wissen?«
    Garnet zog sich einen Stuhl heran und setzte sich vor den Globus. »Alles!« sagte sie. »Wie lange ziehen die Händler schon durch die Prärie?«
    »Ich bin nicht ganz sicher. Seit zwanzig oder dreißig Jahren vermutlich.«
    »Immer auf derselben Straße?«
    Oliver setzte sich auf die Armlehne eines großen Sessels in ihrer Nähe und sah sie lächelnd an. Seine Gedanken waren nicht bei seinen Handelszügen, doch er antwortete bereitwillig.
    »Da ist keine Straße, Miß Cameron«, sagte er. »Da sind nur Räderspuren. Zahllose Ochsenwagen haben sie Jahr um Jahr in die Erde gegraben und die Sonne hat sie gehärtet; jetzt ist es, als wären sie in Stein geschnitten. Sie können der Spur meilenweit mit den Blicken folgen; aus der Ferne sieht sie aus wie eine endlose blaue Linie.«
    Garnet atmete tief. Sie blickte auf den Globus hinab und wünschte sich sehr, die blaue Linie sehen zu können. Aber sie sah sie nicht. Oliver beobachtete sie lächelnd. Er sagte: »Ihr Haar glänzt wie die Flügel der Amseln. Wissen Sie das eigentlich?«
    Garnet sah unverwandt auf den Globus. »Seien Sie nicht ebenso närrisch wie alle anderen«, sagte sie. »Reden Sie keine törichten Dinge über mein Aussehen. Ich weiß sehr gut, daß ich nicht schön bin.«
    »Sind Sie das nicht?«
    Sie beschäftigte sich weiter mit der Geographie Amerikas. Er glitt von der Armlehne des Sessels herunter und setzte sich auf den Fußboden, seine aufgestellten Knie mit den Händen umfassend. So konnte er ihr gerade in das herabgeneigte Gesicht sehen. Es zuckte um seine Mundwinkel.
    »Sie haben wahrscheinlich recht«, sagte er; »jetzt, wo Sie mich darauf aufmerksam machten, möchte ich auch sagen: Sie sind nicht schön!« Er hob leicht die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Mein liebes Mädchen«, lächelte er, »wie gut, daß Sie es nicht nötig haben, schön zu sein!«
    Garnet fühlte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoß; ihre roten Wangen färbten sich noch intensiver. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte sie abweisend.
    »Vermutlich wollen Sie nicht verstehen«, sagte Oliver. »Ich versichere Ihnen, es ist dies das größte Kompliment, das ich jemals einem Mädchen gemacht habe.«
    Garnet wußte nicht, was sie sagen sollte. Es ging ihr wie so oft bei ihm: seine Art zu reden verschlug ihr die Sprache. Sie fühlte, daß sein Blick auf ihr ruhte. Schließlich sagte sie, ohne aufzusehen: »Sie wollten mir doch etwas über die Handelskarawanen erzählen.«
    »Ja«, sagte Oliver, »das wollte ich. Wo war ich denn steckengeblieben?«
    Garnet mußte lachen. »Sie hatten ja noch gar nicht angefangen. Wo starten die Wagen?«
    »In Independence. Das ist eine Stadt in Missouri, die letzte vor der Grenze.«
    Sie war froh, die Unterhaltung wieder auf neutrales Gebiet gelenkt zu haben; außerdem interessierte es sie wirklich, etwas aus diesen fremden, unbekannten Welten zu hören. Sie fragte: »Gehen die Händler alljährlich den ganzen Weg nach Kalifornien?«
    »O nein, das können sie nicht. Es ist viel zu weit.«
    »Aber Sie waren da?«
    »Gewiß war ich da. Aber man kann die Reise hin und zurück nicht in einem Jahr machen. Es gibt da zwei Gruppen von Händlern. Die brechen in jedem Frühling auf beiden Seiten des Kontinents auf. In der Mitte treffen sie zusammen und tauschen ihre Waren aus. Dann geht jede Gruppe den Weg zurück, den sie kam.« Er biß sich leicht auf die Lippen. »Miß Cameron«, sagte er, »interessieren Sie diese Dinge denn wirklich?«
    »Gewiß interessieren sie mich.« Zum erstenmal, seit er auf dem Fußboden saß, sah sie ihn an. Oliver schien amüsiert und
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