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Kain

Kain

Titel: Kain
Autoren: José Saramago
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Arbeiterengel, fragte plötzlich Kain. Sie waren nicht da. Nachdem sie den Auftrag des Herrn so perfekt und meisterhaft ausgeführt hatten, waren die fleißigen Arbeiter mit der für sie typischen einfachen Art, die sie seit dem ersten Tag unserer Bekanntschaft nicht wenige Male unter Beweis gestellt haben, in ihre Kasernen heimgekehrt, ohne darauf zu warten, dass Verdienstabzeichen verteilt wurden. Die Arche, das darf man nicht vergessen, hat weder Steuer noch Segel, sie fährt nicht mit Motor, man kann sie nicht wie ein Spielzeug aufziehen, und es wäre buchstäblich unvorstellbar, sie zu rudern, nicht einmal die vereinten Kräfte aller im Himmel verfügbaren Arbeiterengel hätten sie auf diese Weise zu bewegen vermocht. Sie wird also mit der Strömung schwimmen, sich von den Winden treiben lassen, die ihr gegen den Bauch blasen, Seemannsarbeit wird es kaum geben, und die Reise wird eine lange Arbeitspause, abgesehen von den amourösen Betätigungen, die weder selten stattfinden noch von kurzer Dauer sind und zu denen Kains Beitrag, nach allem, was wir in Erfahrung bringen konnten, geradezu beispielhaft sein wird. Ein Lied davon können Noahs Schwiegertöchter singen, die nicht wenige Male mitten in der Nacht das Bett verließen, in dem sie mit ihren Ehemännern ruhten, um nicht nur unter die Decke zu schlüpfen, die Kain wärmt, sondern auch unter seinen jungen, erfahrenen Körper.
    Nach Ablauf von sieben Tagen, kabbalistische Zahl par excellence, öffneten sich endlich die Schleusen des Himmels. Der Regen wird ohne Unterlass vierzig Tage und vierzig Nächte auf die Erde niedergehen. Anfangs schien kaum aufzufallen, was die Sturzbäche, die mit ohrenbetäubendem Lärm unaufhörlich vom Himmel rauschten, Besonderes bewirkten. Es war ganz natürlich, die Erdanziehungskraft leitete die Wasserströme zum Meer, und auf den ersten Blick war es so, als verschwänden sie darin, doch schon bald schossen die Fontänen der Tiefsee ihrerseits in die Höhe, und das Wasser stieg an die Oberfläche, hoch wie Berge, die brodelnd und sprudelnd mal aufragten, dann wieder untertauchten und sich in der unendlichen Weite des Meeres auflösten. In diesen wütend tosenden, scheinbar alles verschlingenden Wassermassen konnte die Arche sich behaupten, schaukelte hin und her wie ein Korken, richtete sich immer wieder im letzten Moment auf, wenn das Meer sie gerade zu schlucken schien. Hundertfünfzig Tage nachdem die Fontänen der Tiefsee versiegt und die Schleusen des Himmels geschlossen waren, begann das Wasser, das sich auf der ganzen Erde bis über die höchsten Gebirgsketten ausgebreitet hatte, allmählich zu sinken. Inzwischen war jedoch eine von Noahs Schwiegertöchtern, die Frau des Cham, bei einem Unfall ums Leben gekommen. Anders, als wir zuvor gesagt oder zu verstehen gegeben haben, bestand auf der Arche ein großer Bedarf an Arbeitskräften, nicht an Matrosen, gewiss, doch an Reinigungspersonal. Hunderte, um nicht zu sagen Tausende von Tieren, darunter viele große, drängten sich bis zum Platzen in dem Schiffsbauch, und alle kackten und pissten, dass es eine Lust war. Das alles zu säubern, jeden Tag Tonnen von Exkrementen wegzuschaffen, stellte die vier Frauen auf eine harte Probe, körperlich in erster Linie, denn die Ärmsten kehrten erschöpft von dort zurück, aber auch in Bezug auf ihre Nase wegen des unerträglichen Gestanks von Kot und Urin, der in jede Pore drang. An einem der Unwettertage, als die Arche vom Sturm geschüttelt wurde und die Tiere gegeneinanderstießen, war Chams Frau auf dem dreckigen Boden ausgerutscht und einem Elefanten unter die Füße geraten. Sie hatten sie, so, wie sie war, ins Meer geworfen, blutverschmiert und mit Exkrementen verdreckt, ein elender menschlicher Abfall ohne Ehre und Würde. Warum habt ihr sie nicht vorher gewaschen, fragte Kain, und Noah antwortete, Die kriegt genug Wasser, sich zu waschen. Seitdem und bis zum Ende der Geschichte wird Kain ihn auf den Tod hassen. Es heißt, es gebe keine Wirkung ohne Ursache und keine Ursache ohne Wirkung, weshalb die Beziehungen zwischen einer Sache und einer anderen jederzeit nicht nur offenkundig sein müssten, sondern auch in jeder Hinsicht verständlich, ganz gleich ob es sich um direkte oder indirekte Folgen handelt. Wir wagen nicht zu suggerieren, dass vor diesem allgemeinen Hintergrund eine Erklärung für das veränderte Verhalten von Noahs Frau zu finden wäre. Vielleicht hat sie einfach gedacht, dass nun, da Chams Frau nicht mehr
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