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Kain

Kain

Titel: Kain
Autoren: José Saramago
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Vater rücklings, damit sie ihn nicht nackt sahen. Als Noah erwacht und erkennt, welche Schande Ham ihm zugefügt hat, spricht er den Bannfluch gegen dessen Sohn aus, der dann das ganze Volk der Kanaaniter traf, Verflucht sei Kanaan, ein Knecht der Knechte sei er seinen Brüdern, gesegnet sei Sem durch den Herrn, meinen Gott, Kanaan sei sein Knecht, Gott lasse Jafet zu Wohlstand kommen, auf dass seine Nachfahren bei denen des Sem wohnen, und Kanaan sei ihr Knecht. Kain wird dann schon nicht mehr dort sein, der gleiche kurze Windstoß hatte ihn vor die Tür der Arche getragen, just in dem Augenblick, als Noah und sein Sohn Ham mit den neuesten Nachrichten nahten, Morgen brechen wir auf, sagten sie, die Tiere befinden sich schon alle in der Arche, der Proviant ist eingelagert, wir können die Anker lichten.

13
     
    D er Herr kam nicht zum Stapellauf. Er war damit beschäftigt, das hydraulische System des Planeten zu überprüfen, er kontrollierte den Zustand der Ventile, zog hier und da eine Schraube fest, an der es tropfte, aber nicht tropfen sollte, probierte die verschiedenen örtlichen Verteilernetze aus, überwachte den Druck der Manometer und hatte noch eine Unmenge anderer großer und kleiner Arbeiten zu erledigen, eine wichtiger als die andere, die nur er als Schöpfer, Ingenieur und Verwalter der universellen Mechanismen zu einem guten Ende zu bringen und sie schließlich mit seinem heiligen Okay zu segnen vermochte. Sollten die anderen feiern, er arbeitete. In solchen Momenten fühlte er sich nicht so richtig wie ein Gott, eher wie ein Polier der Arbeiterengel, die in genau diesem Augenblick, hundertfünfzig auf Steuerbord der Arche, hundertfünfzig auf Backbord, in ihren strahlend weißen Overalls auf das Kommando warteten, das riesige Schiff anzuheben, doch sprechen wir nicht von einem einstimmigen Kommando, denn es wird überhaupt keine Stimme zu hören sein, weil ja diese ganze Angelegenheit ein Werk des Geistes ist, als würde sie von nur einem Menschen mit seinem einzigen Gehirn und seinem einzigen Willen gedacht. In einem Augenblick ruhte die Arche noch auf dem Erdboden, im nächsten wurde sie angehoben, so hoch, als reckten sich die Arme der Arbeiterengel zu gymnastischen Übungen mit Gewichten und Hanteln. Begeistert lehnten sich Noah und seine Familie aus dem Fenster, um das Schauspiel besser genießen zu können, und riskierten damit, dass der eine oder andere hinausstürzte, so dachte Kain. Noch ein Ruck, und die Arche befand sich in höheren Regionen der Luft. Da schrie Noah auf, Das Einhorn, das Einhorn. Tatsächlich galoppierte entlang der Arche dieses in der Zoologie einmalige Tier mit seinem spiralförmigen Horn, von oben bis unten blendend weiß wie ein Engel, dieses Fabelpferd, dessen Existenz so viele angezweifelt hatten, und nun war es da, fast zum Greifen nah, man brauchte nur die Arche herunterzulassen, die Tür zu öffnen und das Einhorn mit einem Zuckerwürfel hereinzulocken, dem schönsten Leckerbissen für die Spezies der Pferde und fast ihr Verderben. So plötzlich, wie es aufgetaucht war, war das Einhorn wieder verschwunden. Noahs Schreie, Runterlassen, runterlassen, blieben ungehört. Das Absenkungsmanöver wäre logistisch kompliziert geworden und wozu auch, wenn das Einhorn inzwischen verschwunden war, weiß der Himmel, wo es sich nun gerade aufhielt. Inzwischen pflügte die Arche weit schneller als der Zeppelin Hindenburg durch die Lüfte in Richtung Meer, dort wasserte sie schließlich in ausreichender Tiefe und löste eine Riesenwelle aus, einen regelrechten Tsunami, der den Strand überschwemmte, die Boote und Hütten der Fischer zerstörte, etliche ertrinken ließ und, als Vorgeschmack auf Kommendes, das ganze Fischerhandwerk vernichtete. Doch der Herr überlegte es sich nicht anders, seine Berechnungen mochten falsch sein, da sie aber noch nicht an der Realität überprüft worden waren, sprach die Ungewissheit zu seinen Gunsten. In der Arche pries die Familie Noahs den Herrn, und um den Erfolg des Unternehmens zu feiern und ihre Dankbarkeit auszudrücken, opferte sie dem Herrn ein Lamm, worüber dieser, die Vorgeschichte ist ja bekannt, selbstverständlich erfreut war. Der Herr hatte recht gehabt, Noah war eine gute Wahl und geeignet, Vater der neuen Menschheit zu werden, als Einziger gerechter und ehrlicher Mensch seiner Zeit, der er war, würde er die Fehler der Vergangenheit korrigieren und das Unrecht vom Antlitz der Erde verbannen. Die Engel, wo sind die
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