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Kain

Kain

Titel: Kain
Autoren: José Saramago
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keinerlei Variationen der Stellung aufgrund mangelnder Erfahrung, erwies sich schon damals als so destruktiv wie eine Invasion von Holzwürmern, die im Dachgebälk nagen. Bis auf ein bisschen Holzmehl, das hier und da aus winzigen Öffnungen rieselt, ist die Attacke kaum zu merken, doch innen drin geschieht anderes, und schon bald bricht zusammen, was doch so stabil zu sein schien. In solchen Fällen, behaupten manche, könne sich die Geburt eines Kindes belebend auswirken, wenn nicht auf die Libido, die von wesentlich komplizierteren chemischen Vorgängen abhängt als dem Erlernen des Windelnwechselns, so doch wenigstens auf die Gefühle, was, wie man zugeben muss, nicht so wenig ist. Was den Herrn und seine sporadischen Besuche betrifft, beim ersten wollte er nachsehen, ob Adam und Eva beim Einrichten ihres Heims Schwierigkeiten gehabt hatten, beim zweiten hören, ob sie aus der Erfahrung mit dem Landleben einen Nutzen gezogen hatten, und beim dritten ihnen mitteilen, dass er so bald nicht wiederzukommen gedenke, denn er müsse die Runde durch die anderen Paradiese machen, die es im Himmel gebe. Tatsächlich sollte er erst sehr viel später wiedererscheinen, zu einem nirgends aufgezeichneten Zeitpunkt, um das unselige Paar aus dem Garten Eden zu vertreiben wegen des abscheulichen Vergehens, die Frucht vom Baum der Erkenntnis gegessen zu haben. Dieses Ereignis, das zu der ersten Definition einer bis dahin unbekannten Erbsünde führte, ist nie so richtig erklärt worden. Erstens würde selbst der rudimentärste Verstand unschwer begreifen, dass informiert sein der Unwissenheit immer vorzuziehen ist, insbesondere wenn es um so heikle Angelegenheiten wie Gut und Böse geht, bei denen jeder, ohne es zu merken, die ewige Verdammnis in einer Hölle riskiert, die es damals aber noch zu erfinden galt. Zweitens schreit zum Himmel, wie unvorsichtig der Herr vorging, denn wenn er wirklich nicht gewollt hätte, dass sie von besagter Frucht essen, wäre es ein Leichtes gewesen, das zu verhindern, er hätte nur den Baum gar nicht oder ihn woanders zu pflanzen brauchen oder ihn mit einem Stacheldrahtzaun umgeben müssen. Und drittens haben Adam und Eva nicht erst durch Missachtung des göttlichen Gebots entdeckt, dass sie nackt waren. Splitterfasernackt waren sie schon, als sie ins Bett gingen, und wenn der Herr diese doch offensichtliche Schamlosigkeit nie wahrgenommen hatte, so war daran seine Erzeugerblindheit schuld, jene anscheinend unheilbare Blindheit, die uns daran hindert zu sehen, dass unsere Kinder letztlich doch nur so gut oder so schlecht sind wie die anderen.
    Antrag zur Geschäftsordnung. Bevor wir in dieser lehrreichen und endgültigen Geschichte über Kain fortfahren, die wir uns so unerhört kühn vorgenommen haben, wäre es vielleicht ratsam, um den Leser nicht ein zweites Mal mit anachronistischen Maßen und Gewichten zu verwirren, in der Chronologie der Ereignisse ein Kriterium einzuführen. Dies wollen wir also tun, und so beginnen wir mit der Erläuterung eines hier oder da aufgekommenen maliziösen Zweifels, ob Adam mit hundertdreißig Jahren denn noch fähig gewesen sei, ein Kind zu zeugen. Auf den ersten Blick nicht, wenn wir uns lediglich an die Fruchtbarkeitsstatistiken der modernen Zeiten halten, doch dürften diese hundertdreißig Jahre in den Kindheitstagen der Welt wenig mehr als eine einfache, kraftvolle Jugend dargestellt haben, die selbst der frühreifste Casanova sich hätte wünschen können. Außerdem sei daran erinnert, dass Adam neunhundertdreißig Jahre alt wurde, folglich nicht viel fehlte und er wäre in der Sintflut ertrunken, denn er starb zu Lebzeiten des Lamech, Vater des Noah und späteren Erbauers der Arche. Also hatte er Zeit und Muße, die Kinder zu zeugen, die er zeugte, und noch weit mehr zu zeugen, wenn ihm daran gelegen gewesen wäre. Wie schon gesagt, war der zweite, der nach Kain kommen sollte, Abel, ein blonder Jüngling von guter Erscheinung, mit dem es, nachdem der Herr ihm die schönsten Beweise seiner Wertschätzung hatte zuteilwerden lassen, das schlimmste Ende nahm. Den dritten nannten sie, wie ebenfalls bereits gesagt, Seth, doch dieser wird keine Rolle spielen in der Geschichte, die wir Schritt für Schritt behutsam wie ein Historiker komponieren, weshalb wir es hier damit bewenden lassen, nur ein Name und nicht mehr. Manch einer behauptet, in seinem Kopf sei die Idee geboren, eine Religion zu begründen, doch mit diesen heiklen Angelegenheiten haben wir uns schon
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