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Kain

Kain

Titel: Kain
Autoren: José Saramago
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war, eine andere ihren Platz einnehmen sollte, nicht um dem Witwer in seinen jetzt einsamen Nächten beizustehen, sondern um die früher herrschende Harmonie zwischen den jüngeren weiblichen Familienmitgliedern und dem Gast Kain wiederherzustellen, oder klarer und direkter ausgedrückt, wenn er vorher drei Frauen zur Verfügung gehabt hatte, gab es keinen Grund, warum er nicht auch weiterhin so viele haben sollte. Sie konnte kaum wissen, dass dem Mann Gedanken durch den Kopf gingen, gemessen an denen diese Frage vollkommen zweitrangig war. Wie dem auch sei, da das eine das andere nicht ausschließt, nahm Kain ihre Avancen wohlwollend an, So, wie du mich jetzt siehst, trotz meines Alters, das nicht mehr zur zartesten Jugend zählt, und obwohl ich drei Kinder geboren habe, finde ich mich noch immer sehr appetitlich, was meinst du, Kain, fragte sie. Es regnete schon lange nicht mehr, die riesige Wassermasse vertrieb sich jetzt die Zeit damit, die Toten zu bearbeiten und sie mit ewigem Schaukeln sanft den Fischen vors Maul zu schieben. Kain hatte sich ans Fenster gestellt und blickte auf das im Mondschein funkelnde Meer, er hatte gerade ein wenig an Lilith und seinen Sohn Henoch, beide tot, gedacht, doch eher auf zerstreute Weise, als machte es ihm nicht viel aus, und da hörte er es neben sich säuseln, So, wie du mich jetzt siehst. Von dort gingen sie, er und sie, in die winzige Kammer, in der Kain schlief, sie warteten nicht einmal ab, bis sich Noah, bereits in Morpheus Armen liegend, von der Welt verabschiedete, und als sie fertig waren, musste Kain zugeben, dass die Frau recht hatte mit ihrem Urteil über sich selbst, sie war noch richtig gut in Schuss und bewies in gewissen Situationen eine akrobatische Erfahrung, zu der es die anderen noch nicht gebracht hatten, sei es aus mangelnder natürlicher Neigung, sei es, weil das herkömmliche Vorgehen ihrer jeweiligen Ehemänner sie daran gehindert hatte. Und da wir schon von Ehemännern sprechen, sei sogleich gesagt, dass Cham der Zweite war, der verschwand. Er war auf die Abdeckung der Arche gestiegen, um ein paar Planken zurechtzurücken, die wegen des Schaukelns quietschten und ihn am Schlafen hinderten, da näherte sich jemand, Hilfst du mir, fragte er, Ja, war die Antwort, und er wurde ins Meer gestoßen, ein Sturz aus fünfzehn Meter Höhe, scheinbar endlos, doch recht schnell beendet. Noah schimpfte, er tobte, sagte, nach so langer Zeit praktischer Seefahrt könne nur ein unverzeihlicher Mangel an Aufmerksamkeit bei der Arbeit erklären, was geschehen sei, Haltet die Augen offen, verlangte er, passt auf, wo ihr die Füße hinsetzt, dann fuhr er fort, Wir haben ein Paar verloren, das bedeutet, dass wir noch viel häufiger kopulieren müssen, wenn der Wille des Herrn in Erfüllung gehen soll, nämlich dass wir die Väter und Mütter der neuen Menschheit werden. Er hielt einen Augenblick inne, drehte sich zu den beiden ihm noch verbliebenen Schwiegertöchtern um und fragte, Ist eine von euch schwanger. Die eine antwortete ja, sie sei schwanger, die andere war sich noch nicht sicher, aber vielleicht. Und wer ist der Vater, Für mich ist es Kain, sagte die Frau von Jafet. Für mich auch, sagte die Frau von Sem, Das ist ja unglaublich, sagte Noah, wenn euren Männern die Zeugungskraft fehlt, dann solltet ihr am besten nur mit Kain schlafen, so etwas habe ich im Übrigen schon von Anfang an mehr oder weniger kommen sehen. Die Frauen, auch Noahs eigene, schmunzelten innerlich, sie wussten bestimmt, warum, während die Männer, denen die öffentliche Schelte gar nicht gefallen hatte, versprachen, sich in Zukunft, so man es ihnen gestattete, mehr ins Zeug zu legen. Kurios, dass die Menschen so leichthin von der Zukunft sprechen, als hätten sie sie in der Hand, als läge es in ihrer Macht, sie fernzuhalten oder näher zu holen, wie es gerade von Vorteil oder notwendig ist. Jafet zum Beispiel sieht die Zukunft als Abfolge erfolgreicher Kopulationen, ein Kind pro Jahr, hin und wieder Zwillinge, während der Blick des Herrn wohlwollend auf seinem Haupt ruht, viele Schafe, viele Joch Rinder, kurzum das Glück. Nur weiß der Arme nicht, dass sein Ende nahe ist, dass ein gestelltes Bein ihn ohne Schwimmweste ins Leere stürzen lassen wird, in Todesangst und Verzweiflung nutzlos schreiend und wild gestikulierend, während die Arche, majestätisch ihrem Schicksal entgegensegelnd, sich langsam entfernt. Der Verlust eines weiteren Besatzungsmitglieds bereitete Noah
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