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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition)
Autoren: Joe R. Lansdale
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versucht hab, Ihnen zu helfen. Vergessen Sie das nicht.«
     
    Sie kämpften sich durch die Insekten zurück ins Auto, von wo aus sie die Wohnung schräg gegenüber sehen konnten. Nah genug, um zu Fuß zu gehen, was allerdings bei diesem Insektensturm keine gute Idee war.
    »Ich werde ganz dicht ranfahren«, sagte Sunset. »Daddy, du und Bull, ihr geht vorne rein. Clyde und ich nehmen den Hintereingang. Wenn wir sie überraschen, ohne dass sie die Waffen zur Hand haben, dann sind unsere Aussichten nicht so schlecht. Ich weiß, wie gern ihr schießen würdet, aber tut es nur, wenn es nicht anders geht. Versucht, sie zu verhaften. Aber wenn sie versuchen, euch zu verletzen, dann erschießt sie.«
    »Was machen wir?«, fragte Clyde. »Klopfen wir an?«
    »Das wäre eine Möglichkeit«, entgegnete Sunset.
    Sie fuhr auf die andere Straßenseite. Die Heuschrecken glitten in Wellen über das Auto hinweg. Sie waren so dicht an dicht unterwegs, dass sie wie ein großes gesprenkeltes Band aus grün und braun und grau und schwarz wirkten. Sie waren überall in der Stadt, wirbelten zwischen den Gebäuden herum, den Autos und den Bohrtürmen, die wahllos hier und dort aufragten. Außer ihnen und den Insekten befand sich niemand auf der Straße.
    Sunset hielt direkt vor der Treppe zum Vordereingang, dann holte sie eine Spange aus ihrer Hemdtasche und band sich die Haare zurück. »Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll. Ihr geht vorn rein, wir hinten.«
    »Mehr brauch ich nicht«, entgegnete Bull.
    »Ich hätte es eigentlich lieber etwas genauer gewusst«, sagte Lee.
    »Tut mir leid, Daddy. Was Schlachtpläne angeht, bin ich einfach kein Robert E. Lee.«
    »Dann wird es auch so gehen«, antwortete Lee.
    »Und kommt bitte alle heil zurück«, fügte Sunset hinzu.
    Sie und Clyde stiegen aus und rannten auf die Seite der Drogerie. Dort waren nicht ganz so viele Insekten. Sie liefen weiter, bis sie zur Rückseite des Gebäudes kamen, wo sich die schmale Treppe befand. Hier waren die Heuschrecken wieder sehr zahlreich. Geduckt gingen sie weiter. Sunset musste den Kolben der Schrotflinte heben, um ihr Gesicht so gut wie möglich zu schützen, und sie konnte die kleinen Füße der Insekten in ihrem Haar und in dem langen Pferdeschwanz in ihrem Nacken spüren.
    Schon bald hatten sie die Treppe erreicht und schlichen hinauf. Clyde versuchte, sich vorzudrängeln, aber Sunset ließ es nicht zu, behielt die Führung, bis sie schließlich an der Hintertür angekommen waren.
     
    Bull und Lee rannten schnell und auf alles gefasst auf den Vordereingang zu, die Schrotflinten durchgeladen, bereit zu schießen, wenn es sich als notwendig erweisen wollte, oder einfach nur an die Tür zu klopfen und alle Freiwilligen zu verhaften.
    Sie schaffte es kaum die Treppe hinauf, weil die Heuschrecken dichte Trauben bildeten. Kurz bevor sie den Treppenabsatz erreichten, glitt Lee auf einer schmierigen Schicht aus zermatschten Insekten aus, ein Bein rutschte durch das Geländer, und er stürzte, als hätte sich der Boden unter ihm aufgetan. Dann hörte man ein Knacken, als würde Feuer einen trockenen Ast verschlingen, und Lee saß da, das gesunde Bein durch das Geländer gestreckt, das andere unter ihm zusammengekrümmt, als hätte es keine Knochen. Er stieß einen Schrei aus, der so laut war, dass er beinahe die Heuschreckenplage übertönte.
    »Mein Bein! Gottverdammt aber auch! Es ist hinüber, Bull. Es ist hinüber.«
    Bull kniete sich hin und sagte: »Sunset, die geht gleich hinten rein. Die braucht richtig gute Unterstützung. Sie müssen einfach warten.«
    »Oh Gott, tut das weh. Geh nur. Mach schon, Bull.«
    Sobald Bull weitergegangen war, zog Lee seinen Gürtel aus, steckte ihn sich in den Mund und biss darauf, um nicht wieder zu schreien.
    Bull klopfte gar nicht erst an. Anklopfen kam nicht mehr in Frage. Er versetzte der Tür einen kräftigen Tritt, und sie flog nach hinten wie die Zunge einer Schindmähre. Sobald er im Haus war, knallte die Tür wieder zu, und er stand im Dunkeln und konnte nichts sehen. Aber fühlen konnte er plötzlich etwas, etwas Heißes unten in seiner Wirbelsäule, und er brauchte den Bruchteil einer Sekunde, um zu kapieren, dass er von hinten mit einem Messer aufgeschlitzt wurde.
     
    Clyde warf sich gegen die Tür, aber die Tür war stabil und ließ ihn abprallen, sodass er beinahe die Treppe hinuntergefallen wäre. »Verdammt«, fluchte er und versuchte es erneut. Diesmal gab der Türrahmen nach, aber nur
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