Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi
Autoren: Arnaldur Indriðason
Vom Netzwerk:
gewesen waren, und erst recht nicht, dass sie etwas miteinander gehabt hatten. Sie hatte Karólína nie zuvor getroffen.
    Karólína hatte Räucherstäbchen angezündet, dezente Hintergrundmusik aufgelegt und sich ein altes Dreieckstuch um die Schultern geworfen. Sie gefiel sich in dieser Rolle und hatte sich mit großem Vergnügen dicken Lidschatten und breitere Augenbrauen aufgemalt, um die Konturen des Gesichts zu schärfen, und feuerroten Lippenstift aufgelegt. Sie hatte zusammen mit Baldvin geübt, der ihr verschiedene Informationen gegeben hatte, die ihr bei der Séance von Nutzen sein konnten. Er hatte ihr diverse Einzelheiten aus Marías Jugend erzählt und sie über einiges aus ihrem Zusammenleben mit Baldvin informiert, über die enge Verbindung zu ihrer Mutter und über Marcel Proust.
    »Ich spüre, dass es dir nicht gut geht«, hatte Karólína gesagt, als sie sich gesetzt hatten. Die Séance begann. »Du hast … Du hast gelitten. Du hast einen großen Verlust erlitten.«
    »Meine Mutter ist vor einiger Zeit gestorben«, sagte María. »Wir standen einander sehr nah.«
    »Und du vermisst sie.«
    »Unendlich.«
    Karólína hatte sich fachmännisch vorbereitet, sie war sogar selbst auf einer spiritistischen Sitzung gewesen. Das, worüber das Medium redete, interessierte sie nicht sonderlich, stattdessen studierte sie die Ausdrucksweise, die Mimik und Gestik. Sie überlegte, ob sie eine Trance vortäuschen sollte, wenn María zu ihr käme, oder ob sie sich wie das Medium verhalten sollte, zu dem sie gegangen war. Das hatte einfach nur dagesessen und irgendetwas wahrgenommen, was man nicht sehen konnte, und Fragen gestellt. Sie hatte Leonóra zwar nie getroffen, doch Baldvin hatte sie ihr sehr genau beschrieben.
    Am Ende beschloss Karólína, die Trance wegzulassen.
    »Ich spüre eine große Nähe«, sagte sie.
    In der Nacht nach der Séance lagen María und Baldvin zusammen im Bett, und María erzählte ihm in allen Einzelheiten, was sich auf dieser Sitzung ereignet hatte. Nachdem María mit ihrem Bericht fertig war, lag Baldvin noch eine ganze Weile schweigend da.
    »Habe ich dir irgendwann einmal von Tryggvi erzählt? Er war ein Kommilitone von mir«, sagte er und schaute zu María hinüber.

Vierunddreißig
    Baldvin vermied es, Erlendur, der ihm gegenüber am Küchentisch saß und seinem Bericht lauschte, in die Augen zu sehen. Baldvin schien nervös, er blickte entweder an Erlendur vorbei ins Wohnzimmer oder auf den Küchentisch oder auf Erlendurs Schulter, aber nie in seine Augen.
    »Am Ende hat sie dich angefleht, ihr ins Jenseits zu helfen«, sagte Erlendur, und die Verachtung in seiner Stimme war unüberhörbar.
    »Sie … Sie hat diese Idee sofort aufgegriffen«, sagte Baldvin und starrte auf den Küchentisch.
    »Und auf diese Weise konntest du sie umbringen, ohne dass irgendjemand etwas merkte.«
    »Das war die Idee, das gebe ich zu, aber dann habe ich es einfach nicht vermocht. Ich konnte es nicht, als es so weit war. Ich brachte es nicht über mich.«
    »Brachtest es nicht über dich!«, stieß Erlendur hervor.
    »Das ist wahr, ich war nicht imstande, den letzten entscheidenden Schritt zu tun.«
    »Was geschah?«
    »Ich …«
    »Was hast du gemacht?«
    »Sie wollte mit äußerster Vorsicht vorgehen. Sie hatte Angst davor zu sterben.«
    »Haben wir das nicht alle?«, entgegnete Erlendur.
    Sie lagen bis spät in die Nacht wach und sprachen über die Möglichkeit, María den Tod so lange erleben zu lassen, dass sie genügend Zeit hatte, in eine andere Welt hinüberzugehen, aber dennoch kurz genug, dass sie keinen Schaden davontrug. Baldvin erzählte ihr von dem Versuch, den er zusammen mit seinen Kommilitonen an Tryggvi unternommen hatte, wie er gestorben und wieder zum Leben erweckt worden war. Er hatte gar nichts gespürt und sich nicht an seinen Tod erinnern können, er hatte kein Licht gesehen noch irgendwelche Wesen. Baldvin erklärte, er wisse, wie zu verfahren sei, um Todesnähe herbeizuführen – ohne dabei ein zu großes Risiko einzugehen. Es bestünde natürlich eine gewisse Gefahr, darüber müsse María sich im Klaren sein, aber sie sei ja körperlich fit, und daher habe sie im Grunde genommen nichts zu befürchten.
    »Und wie erweckst du mich wieder zum Leben?«, fragte sie.
    »Es gibt sowohl Medikamente als auch die gewöhnlichen Erste-Hilfe-Maßnahmen«, sagte Baldvin. »Herzmassage und Beatmung. Wir können auch mit Stromstößen arbeiten und einen Defibrillator verwenden. Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher