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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi
Autoren: Arnaldur Indriðason
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der cvjf , abging, wo sie als Kind zweimal vierzehn Tage im Sommerlager verbracht hatte. Die roten Rücklichter legten ein angenehmes Tempo vor, und sie folgte dem Wagen, bis die Abzweigung zum See kam. Dort trennten sich ihre Wege. Die roten Rücklichter entfernten sich rasch und verschwanden in der Dunkelheit.
    Nachdem sie nach rechts abgebogen war, fuhr sie in völlige Dunkelheit hinein. Wegen der Finsternis hatte sie große Probleme, sich zu orientieren. Hätte sie schon vorher abbiegen sollen? War das der richtige Weg zum See hinunter? Oder war es erst die nächste Abzweigung? War sie zu weit gefahren?
    Zweimal verfuhr sie sich und musste wenden. Es war Donnerstagabend, und die meisten Ferienhäuser standen leer. Sie hatte Proviant und Bücher zum Lesen mitgenommen. María hatte ihr außerdem gesagt, dass sie seit Kurzem auch einen Fernseher im Haus hätten. Sie wollte nichts sehnlicher, als viel schlafen und sich erholen. In der Bank war es nach einem Übernahmeversuch, den sie gerade abgewehrt hatten, zugegangen wie in einem Irrenhaus. Sie hatte es aufgegeben, die Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Aktionärsgruppen, die sich gegen andere Gruppierungen zusammenschlossen, verstehen zu wollen. Pressemeldungen wurden im Zweistundentakt herausgegeben, und die Lage besserte sich nicht, als bekannt wurde, dass man mit einem der Bankdirektoren, den irgendeine Gruppe loswerden wollte, eine Abfindung in Höhe von hundert Millionen Kronen vereinbart hatte. Dem Bankvorstand war es damit gelungen, sich den Zorn der Öffentlichkeit zuzuziehen, und von Karen erwartete man, dass sie Mittel und Wege finden würde, die Wogen zu glätten. Damit war sie die gesamten letzten Wochen beschäftigt gewesen. Irgendwann reichte es ihr, und sie beschloss, aus der Stadt zu fliehen. María hatte ihr oft angeboten, das Ferienhaus zu nutzen. Als sie anrief, hatte María, ohne zu zögern, ja gesagt.
    Karen fuhr im Schritttempo auf dem holprigen Seitenweg, der sich durch niedriges Gebüsch schlängelte. Endlich fielen die Autoscheinwerfer auf das Ferienhaus unten am See. María hatte ihr einen Schlüssel gegeben, aber auch erwähnt, wo sie einen weiteren Schlüssel aufbewahrte. Manchmal war ein Ersatzschlüssel in einem Versteck beim Haus sehr nützlich.
    Sie freute sich schon darauf, am nächsten Tag in der herbstlichen Farbenpracht aufzuwachen, für die Þingvellir berühmt war. Seit sie sich zurückerinnern konnte, wurden jedes Jahr spezielle Fahrten zu den Herbstfarben im Nationalpark angeboten. An keinem anderen Ort waren sie schöner als an den Ufern des Sees, wo sich die roten, gelben und rostbraunen Farben der sterbenden Vegetation ausbreiteten, so weit das Auge reichte.
    Sie begann damit, das Gepäck aus dem Wagen zu holen und es auf der Veranda vor der Tür abzustellen. Dann steckte sie den Schlüssel ins Schloss und tastete nach einem Lichtschalter. Das Licht im Flur zur Küche ging an, und sie brachte ihre kleine Reisetasche ins eheliche Schlafzimmer. Sie wunderte sich, dass das Bett nicht gemacht war. Das sah María nicht ähnlich. Im Bad lag ein Handtuch auf dem Boden. Bevor sie das Licht in der Küche anknipste, spürte sie eine seltsame Nähe. Sie fürchtete sich zwar nicht im Dunkeln, aber dennoch durchfuhr sie von oben bis unten ein unangenehmes Gefühl. Das Wohnzimmer mit dem fantastischen Seeblick lag völlig im Dunkeln.
    Karen schaltete auch dort das Licht ein.
    An der Decke befanden sich vier starke Querbalken, und an einem hing mit dem Rücken zu ihr ein menschlicher Körper.
    Sie erschrak so sehr, dass sie rückwärts gegen die Wand taumelte und mit dem Kopf gegen die Holzverkleidung stieß. Ihr wurde schwarz vor Augen. Die Leiche hing an einem dünnen blauen Strick vom Balken herunter und spiegelte sich in den dunklen Fenstern des Wohnzimmers. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit verstrichen war, bevor sie sich endlich näher heranwagte. Die friedliche Umgebung am See hatte sich im Handumdrehen in ein Horrorszenario verwandelt, das sie nie wieder vergessen würde. Jedes kleinste Detail prägte sich ihr ein. Der Küchenhocker, der in dem stilreinen Zimmer wie ein Fremdkörper wirkte und umgekippt unter der Leiche lag. Das Spiegelbild im Fenster. Die Dunkelheit in Þingvellir. Der bewegungslose menschliche Körper an dem Balken.
    Sie trat vorsichtig näher und blickte in das blau geschwollene Gesicht. Ihr schrecklicher Verdacht bestätigte sich. Es war ihre Freundin María.

Zwei
    Ihr kam die Zeit, die von ihrem
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