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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi
Autoren: Arnaldur Indriðason
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sahst dich gezwungen, einen Selbstmord zu inszenieren«, sagte Erlendur. »Es wäre am angenehmsten gewesen, wenn sie gemäß deinem wohldurchdachten Plan gestorben wäre, wenn ihr Leben in dieser Wanne geendet hätte. Aber das war nicht der Fall, nicht wahr?«
    Immer noch sah Baldvin ihn schweigend an.
    »Irgendetwas ging schief«, fuhr Erlendur fort. »Sie erwachte aus der Bewusstlosigkeit. Wahrscheinlich hattest du sie schon aus dem Wasser geholt und wolltest sie aufs Bett legen. Du hattest den Herzstillstand herbeigeführt. Niemand würde irgendetwas anderes feststellen können. Eine Autopsie würde einen Herzschlag aus natürlichem Grund ergeben. Du bist Arzt, du kennst dich da aus. María war leicht zu ködern. Du brauchtest nur eines zu tun, sie im Stich zu lassen, ihr Vertrauen zu enttäuschen. Das Vertrauen einer unschuldigen Frau, die lange Zeit am Rande des Abgrunds geschwebt hatte. Nicht sehr mannhaft, aber du hast ja nicht gerade das Format eines Helden.«
    Karólína blickte zu Boden.
    »Vielleicht hattest du sie bereits ins Bett gelegt«, sagte Erlendur, »und wolltest noch ein letztes Mal ihren Puls fühlen, bevor du wieder in die Stadt zurückfährst. Du hast hier angerufen, und Karólína hat für dich abgehoben. Es sollte so aussehen, als hätte María angerufen. Du hast also dann María ein letztes Mal untersucht, und zu deinem Entsetzen war sie noch am Leben. Sie war nicht gestorben. Das Herz schlug schwach, aber es schlug. Sie atmete wieder. Es bestand die Gefahr, dass sie aufwachte.«
    Karólína lauschte Erlendur schweigend, vermied es aber, ihn anzusehen.
    »Vielleicht ist sie aufgewacht. Vielleicht hat sie die Augen geöffnet, wie du beschrieben hast, und vielleicht ist sie in einer anderen Welt gewesen. Vielleicht hat sie etwas gesehen, aber es ist wohl trotz allem wahrscheinlicher, dass sie nichts gesehen hat. Vielleicht hat sie dir etwas über diese Erfahrung gesagt, doch sie hatte nicht viel Zeit dazu. Außerdem war sie sehr geschwächt.«
    Baldvin sagte keinen Ton.
    »Vielleicht hat sie realisiert, was du im Begriff warst zu tun, aber sie war vermutlich zu schwach, um sich wehren zu können. Wir wissen, dass María erstickt ist, als sich die Schlinge um ihren Hals zuzog.«
    Karólína stand auf und ging zu Baldvin hinüber.
    »Das Leben erlosch langsam, aber María starb schließlich.«
    Sie legte ihm ihren Arm um die Schultern und sah Erlendur an.
    »War es nicht in etwa so?«, fragte Erlendur. »Ist María am Ende nicht so gestorben?«
    »Sie wollte es selbst«, sagte Baldvin.
    »Einiges davon vielleicht, aber nicht alles.«
    »Sie hat mich darum gebeten.«
    »Und du hast ihr diesen Gefallen getan.«
    Baldvin sah Erlendur mit ausdrucksloser Miene an.
    »Ich glaube, du solltest machen, dass du hier rauskommst.«
    »Hat sie etwas gesagt?«, fragte Erlendur. »Über Leonóra?«
    Baldvin schüttelte den Kopf.
    »Du solltest gehen«, sagte Baldvin. »Das sind alles Hirngespinste deinerseits. Ich sollte dich wegen Verleumdung verklagen.«
    Erlendur ließ nicht locker. »Hat sie nichts über ihren Vater gesagt?«
    Baldvin gab ihm keine Antwort.
    Erlendur sah die beiden lange an. Dann ging er zur Diele.
    »Und was nun?«, fragte Karólína. »Was wirst du tun?«
    Erlendur öffnete die Haustür und drehte sich noch einmal um.
    »Anscheinend ist es euch gelungen«, sagte er.
    »Was soll uns gelungen sein?«, fragte Baldvin.
    »Das, was ihr euch vorgenommen hattet«, sagte Erlendur. »Ihr seid wie geschaffen füreinander.«
    »Wirst du etwas unternehmen?«, fragte Karólína.
    »Ich kann kaum etwas machen«, sagte Erlendur und wollte die Tür hinter sich zuziehen. »Ich werde den Fall meinen Vorgesetzten unterbreiten, aber …«
    »Warte«, sagte Baldvin.
    Erlendur drehte sich um.
    »Sie hat von ihrem Vater gesprochen«, sagte Baldvin.
    »Das hielt ich für das Wahrscheinlichste«, entgegnete Erlendur. »Das hat sie vermutlich ganz kurz vor dem Ende getan.«
    Baldvin nickte.
    »Ich war davon ausgegangen, dass sie Verbindung zu ihrer Mutter bekommen wollte.«
    »Aber das stimmte nicht, nicht wahr?«, sagte Erlendur.
    »Nein«, sagte Baldvin.
    »Sie sehnte sich danach, ihren Vater zu sehen?«
    »Ich habe nicht ganz richtig verstanden, was sie gesagt hat. Sie wollte, dass er ihr verzeiht. Was hätte er ihr verzeihen sollen?«
    »Das wirst du nie verstehen.«
    »Was?« Baldvin starrte Erlendur an.
    »War es … War es … María? Sie war mit ihnen im Boot, als es passierte. Hat sie sich die
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