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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten
Autoren: Antje Babendererde
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auf dem Geisterpfad, auf seiner letzten Reise, das hoffte Lukas zumindest.
    »Ich kann ihn nicht behalten.« Seine Stimme bebte. »Er ist mit Drogengeld bezahlt. Ich werde ihn zurückgeben.«
    »Moment mal!« Das war Jo. »Einen Teufel wirst du. Jimi hat auch ehrliches Geld verdient. Er hat oft bei mir gearbeitet und er hat seine Sache immer gut gemacht. Dieser Computer ist ein Segen für dich, Luke. Er wird dein Tor zur Welt sein und dir den Blick über den Tellerrand ermöglichen.«
    »Sie hat recht«, mischte sich Michael ein. »Ich kenne mich ein bisschen aus mit den Dingern, weil ich mal einen Artikel über eine Blindenschule in Tibet geschrieben habe. Es gibt ein Programm, das liest Webseiten und E-Mails vor. Du musst ein paar Sachen lernen, um damit klarzukommen, aber keine Angst, ich kann dir dabei helfen.«
    »Du könntest mir Mails schreiben und meine lesen.« Das war Sim.
    Obwohl Lukas wusste, dass sie recht hatten, war er immer noch wie vor den Kopf geschlagen. Was hatte Jimi sich bloß dabei gedacht?
    »Schlaf einfach eine Nacht drüber«, schlug Michael vor. »Und wenn du willst, schließe ich ihn morgen an. Du wirst staunen, was das Ding alles kann.«
    Lukas widersprach nicht. Er nickte nur. Im Augenblick war er zu keiner Entscheidung fähig.
    Als Michael und Jo längst wieder nach drüben gegangen waren, saß Lukas noch immer regungslos auf seinem Stuhl. Jimi hatte ein würdevolles Begräbnis bekommen, doch die Last auf seinen Schultern wollte nicht weichen. Jahrelang hatte er sich gefragt, was Jimi wohl mit all dem Geld machte, das er bei den Leuten verdiente, für die er arbeitete. Nun wusste er es. Drei Jahre! Als er angefangen hatte, die Raten zu bezahlen, war er erst fünfzehn gewesen.
    »Mir ist ganz schlecht, so müde bin ich«, sagte Sim und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich gehe duschen und lege mich ein bisschen hin.«
    Er nickte.
    Als Sim im hinteren Zimmer verschwunden war, kramte Lukas aus einem der beiden Kartons mit seinen Sachen den alten Kassettenrekorder hervor. Mit der rechten Hand tastete er die Wand entlang auf der Suche nach einer Steckdose, und als er eine gefunden hatte, stöpselte er ihn ein. Er zog die Kassette aus seiner Hosentasche und setzte sich mit dem Rücken zur Wand auf den Boden. Er öffnete das Fach, schob die Kassette ein und schloss es wieder. Eine ganze Weile saß er einfach nur da, mit dem Rekorder auf den Oberschenkeln.
    Schließlich gab er sich einen Ruck und drückte die Playtaste. Das Band lief los und Jimis Stimme fuhr ihm mitten ins Herz.
    »Heya, heya, heya – hey. Ich kann nicht so gut singen wie du, Bruder, aber vielleicht lerne ich es ja noch. Mir ist klar geworden, dass ich eine Menge lernen kann von dir, und ich hoffe, dass ich eines Tages die Gelegenheit dazu haben werde.
    Wenn du das hörst, bin ich längst über alle Berge. Ich hab jede Menge Scheiße gebaut und zuletzt ist es ein bisschen eng geworden für mich. Geh nicht zurück zu Bernadine, da wird bald der Teufel los sein. Jedenfalls: Ich muss weg aus dem Res. Ich wollte immer mit dir zusammen gehen, wollte mit dir an den Pazifik fahren, am Strand sitzen und den Wellen lauschen. Aber das müssen wir auf später verschieben.
    Ich hoffe, du weißt, dass ich das Feuer nicht absichtlich gelegt habe. Aber ich habe es brennen sehen und bin weggefahren, habe dich dort zurückgelassen. Ich war so wütend auf dich, wegen Sim. Du hattest recht, ich war eifersüchtig. Ich wollte dich mit niemandem teilen. Aber ich wollte dich auch nicht verletzen. Es war ein Blackout, das musst du mir glauben. Ich habe rotgesehen, nicht mehr nachgedacht.
    Wie so vieles kann ich es nicht ungeschehen machen, aber es tut mir leid.
    Ich war auf dem Bärenberg, Luke. Vier Tage und vier Nächte in einer Grube, und ich hatte eine Vision. Ich habe die Möglichkeit, für das, was ich getan habe, geradezustehen. Niemand war da, dem ich meine Vision erzählen konnte, also musste ich sie selber deuten.
    Auspacken und ins Gefängnis gehen, das kann ich nicht, und ich bin mir sicher, du verstehst das. Ich werde mich freiwillig zur Army melden und nach Afghanistan gehen. Ich weiß, dass du eine Menge Argumente dagegen hast, aber ich werde für Maka, für unsere Erde, kämpfen, nicht für die Vereinigten Staaten. Wenn ich heil wiederkomme, habe ich genügend Geld zusammen, um uns ein Haus am Meer zu kaufen. Wir können surfen lernen, Amigo. Lach nicht, im Fernsehen kam ein Bericht über einen blinden Surfer und es
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