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Julischatten

Julischatten

Titel: Julischatten
Autoren: Antje Babendererde
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dass er nicht wüsste, wie er das alles durchstehen sollte, wenn er Henry, Jo, Michael und Sim nicht an seiner Seite hätte.
    »Was ist mit den Pferden auf Bernadines Koppel?«
    »Die Nachbarn versorgen sie.«
    »Black Arrow gehörte Jimi und ich würde ihn gerne holen.«
    Jo hatte nichts dagegen und Officer Lone Elk telefonierte mit Bernadines Nachbarn, um alles zu regeln. Lukas konnte kommen, wann immer er wollte, und Black Arrow abholen.
    Nachdem die beiden Polizisten wieder gefahren waren, gingen Lukas und Sim in den Trailer. Er setzte sich an den Tisch und öffnete das Holzkästchen. Zum ersten Mal berührte er die Stücke, die Jimi so viel bedeutet hatten. Ehrfürchtig strichen seine Finger über das steife Leder des Medizinbeutels, in dem sich das getrocknete Herz und das Hirn eines Adlers befanden.
    Ganz deutlich konnte er die Energie zu spüren, die von diesem Medizinbeutel ausging. Vorsichtig nahm er die winzigen Lederfiguren in die Hand, die Horn Chips für Crazy Horse angefertigt hatte. Sie waren federleicht, kaum spürbar, doch Lukas hatte das Gefühl, als würden Pferd und Büffel über seine Handfläche galoppieren. Als könne er die Flügel von Adler und Schmetterling flattern spüren.
    »Die Figuren sind wunderschön«, sagte Sim, nachdem er ihr die Geschichte der heiligen Dinge erzählt hatte.
    »Ja, das sind sie«, sagte Lukas.
    Er wusste, dass er Hilfe brauchen würde, diese machtvollen Dinge zu hüten. Deshalb legte er alles sorgfältig zurück ins Kästchen, versicherte Sim, dass er am Abend zurück sein würde, und machte sich auf den Weg zu Henry He Dog nach Manderson.
    Die Sonne verbarg sich hinter Wolken und Lukas war dankbar für die angenehme Kühle. Es tat gut, auf Ghost zu reiten, seine kräftigen Muskeln unter sich zu spüren und den Duft des wilden Salbeis zu riechen, der vom Boden aufstieg. Es half ihm, mit seinen Gefühlen klarzukommen.
    Jimi, sein Hunka-Bruder, war tot. Lukas’ Verstand wusste das, aber er wartete immer noch darauf, dass diese Tatsache auch bis zu seinem Herzen vordrang. Ohne Jimi war er verwundbar, fühlte sich, als würde der Boden unter ihm schwanken. Er hatte Jimi vertraut, hatte sein Leben in seine Hände gelegt, jeden Tag aufs Neue. Bis zu jenem Moment, an dem Jimi ihn in den Klauen des Feuers zurückgelassen hatte. Der Verrat hatte ihn verletzt wie nichts zuvor und war doch so viel einfacher zu verzeihen als Jimis Verrat an seinem eigenen Volk.
    Wütend und enttäuscht kreisten Lukas’ Gedanken immer wieder um diese eine Sache und stellten das Herz kalt. Hatte Jimi gewusst, dass Tyrell die Mädchen zwang, sich zu prostituieren? Hatte er es gewusst und mit diesem Wissen gelebt?
    Lukas würde es nie erfahren und vielleicht war es besser so. Allein um ihrer Freundschaft willen begab er sich auf die Suche nach Empfindungen jenseits von Wut und Enttäuschung. Jimi hatte nie allzu viel darüber nachgedacht, was er tat und ob er damit die Gefühle anderer Menschen verletzte. Mit seinem unwiderstehlichen Charme war es ihm ein Leichtes gewesen, andere für sich einzunehmen. Und gelegentlich hatte er diese Gabe ausgenutzt, wenn es ihm in irgendeiner Weise dienlich war.
    Am Ende war er in sein eigenes Verderben gerannt.
    Henry He Dog umarmte Lukas fest. Dass Bernadine Jumping Eagle, ihr Sohn Tyrell und ein Großteil ihrer Pflegekinder wegen Kokainhandels und Waffenbesitz verhaftet worden waren, hatte sich wie ein Lauffeuer in Manderson und im ganzen Reservat verbreitet. Trotzdem musste Lukas dem Alten noch einmal in allen Einzelheiten erzählen, was passiert war.
    Als er schließlich davon sprach, wie Jimi ihn zur Seite gestoßen hatte und deshalb selbst von der Kugel getroffen worden war, zitterte seine Stimme und Tränen rollten über seine Wangen. Mit dem Medizinmann darüber zu reden, war wichtig für ihn und nahm ein wenig Druck von seinen Schultern.
    »Jimi trug den Kiesel auf der Brust, Tashunka Witkos Talisman, doch der konnte ihn nicht beschützen.«
    He Dog nickte. »Dein Bruder starb durch eine Kugel aus den eigenen Reihen. Dagegen war der Wotawe machtlos.«
    »Jimi hat mir das Leben gerettet.«
    »Er hat dein Leben erst in Gefahr gebracht«, sagte der alte Mann und Lukas spürte eine schwere Hand auf seiner Schulter.
    He Dog schlug vor, die Totenwache für Jimi bei ihm in seinem Tipi abzuhalten. Und er bot an, Jimi am Fuße des weißen Felsens hinter seinem Haus zu beerdigen, dort, wo schon seine Frau Ella und sein Enkel Timmy ihre letzte Ruhe gefunden
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